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093 - Neun Leben

093 - Neun Leben

Titel: 093 - Neun Leben
Autoren: Claudia Kern
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Stadt zu hungern begann.
    »Soldat!«
    Bulldogg ließ den Löffel fallen, stand auf und nahm Haltung an. Fischbrühe lief über sein Kinn und in seinen Kragen hinein.
    Er fluchte lautlos. Seine Frau würde riechen, dass er auswärts gegessen hatte.
    »Herr!«, gab er mit vollem Mund zurück und schluckte, als der Brei aus Suppe und Brot seinem Vorgesetzten entgegen spritzte.
    Sergant Deenis trat einen Schritt zurück und wischte sich angewidert mit der Hand über die Uniformjacke. Es wurde still in der Taverne. Jeder beobachtete die beiden ungleichen Soldaten, die sich gegenüberstanden. Vor allem die Freunde des Bewusstlosen wirkten sehr interessiert.
    »Dafür sollte ich dich in den Kerker werfen lassen.« Deenis klang zu ruhig, um es ernst zu meinen. Bulldogg schwieg und sah stur geradeaus.
    »Jetzt bist du wohl erleichtert, was? Aber du wirst dir noch wünschen, ich hätte dich in den Kerker geworfen, denn eben ist ein Bote des Palasts zu mir gekommen. Der König will dich sprechen.«
    Bulldogg blinzelte. »Warum will der König mich sprechen?«
    Deenis verdrehte theatralisch die Augen, schien es zu genießen, ein so aufmerksames Publikum zu haben.
    »Du hast dem König einen Faustschlag versetzt. Was glaubst du wohl, weshalb er dich sprechen will?«
    Einige Männer begannen zu lachen. Bulldogg dachte an seine Frau, die zu Hause auf ihn wartete, und hoffte, dass er noch einmal zu ihr durfte, bevor er den Rest seines Lebens im Kerker verbrachte.
    »Also gut«, sagte er mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf den Eintopf. »Wenn der König mich sprechen will, soll er mich sprechen.«
    ***
    »… und deshalb werde ich die kompletten Palastwachen austauschen. Du nimmst dir zwanzig Mann, denen du blind vertrauen kannst, und zwanzig weitere, von denen du glaubst, dass man ihnen vertrauen kann. Gemeinsam bilden sie die neue Palastwache, und du bist ihr Kommandeur. Sie und du erhalten den doppelten Lohn. Herzlichen Glückwunsch, Hauptmann äh… Bulldogg.«
    Bulldogg schüttelte die Hand des Königs, ohne so recht zu begreifen, was gerade geschah. Man hatte ihn in die Privatgemächer der Königin geführt, wo der König bereits auf ihn wartete und ihn begrüßt hatte, als besäßen sie die gleiche Stellung.
    Bulldogg hatte versucht sich zu entschuldigen und um Gnade zu bitten, aber der König hatte ihm keine Gelegenheit dazu gegeben und ihm stattdessen von dem Attentatsversuch und der Beteiligung der Palastwache erzählt. Und dann hatte er ihm bereits die Hand geschüttelt und zur Beförderung gratuliert.
    »Danke, Herr«, sagte Bulldogg. Er war noch nie befördert worden und wusste nicht, was man darauf antwortete.
    »Okay«, antwortete der König in seinem merkwürdigen Akzent. »Suche deine Leute noch heute Abend zusammen und -«
    Die Tür wurde geöffnet und unterbrach ihn. Eine junge Frau in dunkler Lederkleidung trat ein und verneigte sich tief.
    »Verzeiht meine Unzulänglichkeit.«
    Der König sah sie an wie einen Geist.
    »Miouu?«
    ***
    Es war ihre zweite Erinnerung. Sie wusste nicht, wie viel Zeit zwischen dieser und der ersten lag, in der sie neben Vater im schaukelnden Fuhrwerk saß. Vielleicht ein paar Stunden, sicherlich nicht mehr als ein paar Tage.
    Nun war nicht mehr die hölzerne Bank unter ihr, sondern der nackte Waldboden.
    Am Anfang hatte sie noch geweint, weil immer jemand kam, wenn sie weinte, doch dieses Mal blieb sie allein. In der Dunkelheit krochen Insekten über ihre Beine, die Rufe der Nachtvögel erschreckten und ängstigten sie. Was bei einem höchstens zweijährigen Kind nicht schwierig war.
    Verstört und hungrig kroch sie zuerst den Weg entlang und dann, als sie ihn verlor, durch das Unterholz. Dornen stachen in ihre Handflächen und sie begann erneut zu weinen.
    Irgendwann spürte sie Felsen unter sich. Er war kalt, aber die Berührung tat ihren aufgescheuerten Knien gut. Sie kroch weiter, hinein in etwas, das sie später als Höhle erkannte. Es stank darin, doch der Schutz vor dem nächtlichen Wind trieb sie immer tiefer.
    Bis sie es hörte, das dunkle Knurren, und die gelben Augen in der Dunkelheit aufleuchten sah.
    ***
    Ein Kampf war keine Alternative. Zu viele Menschen stürmten Aruula entgegen. Zwar behinderten sie sich gegenseitig, aber die Straßen waren breit genug, um allen Platz zu bieten. Dolche wurden gezückt, Schwerter stießen vor, Steine flogen.
    Aruula ergriff die Flucht, schlug Haken in dunklen Gassen und schleuderte der Meute alles entgegen, was sie in die Finger
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