Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
093 - Neun Leben

093 - Neun Leben

Titel: 093 - Neun Leben
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Zeitsprung landete sie in Berlin, wurde angegriffen, verlor ihr Gedächtnis, wurde für eine Abgesandte der Götter gehalten und zur Königin gemacht.«
    »Ganz schöne Karriere.«
    »Allerdings.« Matt duckte sich unter einem tiefhängenden Ast durch. »Das Problem war nur, dass sich die Bevölkerung Berlins geteilt hatte. Die Frauen - sie nannten sich Frawen - unterdrückten die Männer - die Menen - mit Hilfe riesiger Säbelzahntiger, und die Männer vegetierten in den Ruinen vor sich hin. Als Aruula und ich nach Berlin kamen, wurden wir getrennt. Mich hielt man wegen der stilisierten Flügel auf meiner Uniform ebenfalls für einen Abgesandten der Götter und daher für… hm…« Er suchte nach dem richtigen Wort. »… den logischen, äh… Zeugungspartner für Jenny.«
    »Tatsächlich?«
    Black klang weitaus weniger überrascht als Matt gedacht hätte.
    »Haben Sie mit ihr geschlafen?«
    »Ich hatte nicht wirklich eine Wahl. Um die ganze Geschichte abzukürzen: Jenny gewann ihr Gedächtnis zurück, wir legten den Grundstein für ein friedliches Zusammenleben zwischen den verfeindeten Parteien und Jenny beschloss dort zu bleiben, um beim Neuaufbau zu helfen. Das ist alles.«
    »Und jetzt wollen Sie verständlicherweise wissen, was in den letzten drei Jahren passiert ist.«
    Matt nickte.
    »Ich will einfach nur wissen, ob es ihr gut geht. Außerdem liegt Berlin auf dem Weg. Wir ruhen uns ein wenig aus und nehmen Vorräte auf.«
    Black antwortete nicht sofort, sondern ging ruhig weiter. Sein breiter Rücken versperrte die Sicht auf den Weg. Schließlich drehte er den Kopf und sah Matt an.
    »Sie bringen sich in eine äußerst schwierige Situation. Wie wollen Sie mit Jenny umgehen, wenn Miss Aruula in der Nähe ist?«
    »Wir sind befreundet, das ist alles. Dass wir miteinander geschlafen haben, bedeutet nichts.«
    »Ich glaube nicht, dass Ihre Freundin das so sieht.«
    Matt wollte antworten, aber Black hob warnend die Hand und trat einen Schritt zur Seite. Der Pfad, dem sie die ganze Zeit gefolgt waren, endete vor ihnen in einer kleinen Lichtung. Ein Lagerfeuer brannte in der Mitte, rechts davon befand sich ein primitiver, aus Ästen und Fellen gebauter Unterstand. Weitere Felle waren am Waldrand aufgespannt und zwei tote Deers hingen an den Hinterläufen von breiten Ästen.
    »Wir scheinen Glück zu haben«, sagte Black.
    Matt zuckte zusammen, als etwas Spitzes in seinen Rücken gedrückt wurde.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    ***
    Man nannte ihn den Jäger, aber das wussten die beiden Männer nicht, die mit hinter dem Kopf verschränkten Händen im Gras saßen. Einer von ihnen war ein Dämon, der menschliche Form angenommen hatte, jedoch einen kleinen Behälter benötigte, um sich zu verständigen. Vermutlich hielt er einen Kobold in dem Behälter gefangen. Der Jäger sagte ihm, dass sein Spiel durchschaut war. Der Dämon behauptete aus einem weit entfernten Land zu kommen, in dem man Maschinen baut, die Worte sprechen können. Das stimmte natürlich nicht, denn niemand konnte so etwas bauen - außer vielleicht Kobolde. Und wenn er einen Kobold verpflichtet hatte, die Maschine zu bauen, bedeutete das, dass er ein Dämon war und zwar ein verdammt großer. Er reichte dem Jäger immerhin bis zur Schulter.
    Der andere war etwas kleiner und schien tatsächlich ein Mensch zu sein. Zumindest beherrschte er die menschliche Sprache, auch wenn er sie nur zum Lügen benutzte. Angeblich war er in das Lager gekommen, um zu tauschen, aber er hatte nichts dabei, was man tauschen konnte. Er besaß nur ein paar Goldmünzen, die er anbot, als ob man Gold essen könne. Der Jäger solle die Münzen gegen etwas eintauschen, schlug er vor, gegen Kleidung oder bessere Waffen. Es schien ihn zu überraschen, dass die große Stadt, die er Beelinn nannte und in die der Jäger noch nie einen Fuß gesetzt hatte, weniger als eine Tagesreise entfernt war. Dabei roch man doch bereits ihren Gestank und hörte ihren Lärm.
    Er hasste die Stadt, das erklärte er dem Mann und dem Dämon. Sie schienen nicht zu verstehen, weshalb er allein im Wald lebte, also sprach er vom Rauschen des Laubs, dem Wispern des Windes und den Rufen der Nachtvögel. Er sprach von der Einsamkeit endloser Sommertage und dem Glück der Jagd. Nur von einem sprach er nicht: vom Geschmack rohen Menschenfleischs auf seiner Zunge.
    Sie fragten ihn, ob er schon immer im Wald gelebt hatte. Es fiel ihm schwer darauf zu antworten und die richtigen Worte zu finden. Er hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher