Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0923 - Ice Road Shockers

0923 - Ice Road Shockers

Titel: 0923 - Ice Road Shockers
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
ohne Erbarmen. Dies war eine Wut, der es egal war, ob ihr die Richtigen zum Opfer fielen. Eine Wut, die einfach Rache verlangte. Blind, animalisch. Wut der besten, der reinsten Art.
    Er lag da, und er beobachtete. Aus der Sicherheit seines Versteckes heraus behielt er im Blick, was nunmehr seine Umgebung geworden war. Unsichtbare Augen sondierten das fremdartige Terrain, mentale Fühler tasteten bald hierhin und bald dorthin. Und mit jedem neuen Versuch wurde ihre Reichweite größer, nahm ihre Kommandokraft zu. Nach einer Weile vermochte er niedere Wesenheiten zu sich zu rufen, einfältiges Getier, dessen Fleisch und Lebenssaft, dessen kurze Momente des Todeskampfes ihm neue Energie verliehen. Zunächst hatte es ihn entsetzt, welche Freude ihm das Leid anderer Lebewesen bereitete. Doch dann war es ihm zusehends leichter gefallen, natürlicher vorgekommen, sich zu nehmen, wonach ihm der sinistre Sinn stand. Töten war einfach, wenn man es oft genug machte. So leicht und selbstverständlich wie das Atmen. Zumindest für ihn.
    Abermals stieg Trauer in ihm auf, als er sich bewusst wurde, dass er sich selbst nicht kannte. Er musste ein Großer gewesen sein, eine Person von Bedeutung und Wert. Wer derartige Fähigkeiten besaß, konnte nur zur Elite gehören. Ja, er glaubte, er hätte sich gemocht. Umso mehr schmerzte es, dass er sich nie kennenlernen würde - denn so sehr er sich auch anstrengte und sich auf die Vergangenheit konzentrierte: Was immer sein Bewusstsein vor der Leere ausgemacht hatte, war nun fort. Allem Anschein nach unwiederbringlich.
    Also lag er da, die ausgeweideten, in der eisigen Kälte dampfenden und oh, so wohltuenden Kadaver von Tieren vor sich, deren Gattungsnamen ihm nicht einmal bekannt waren, und beschloss, sich eine neue Identität zu verleihen. Eine, die seinem Talent würdig war. Eine, unter der man ihn kennen, achten und vor allem fürchten sollte.
    Er gab sich den Namen Gott und hoffte, seinem einstigen Standard damit wenigstens ansatzweise gerecht zu werden. In Gedanken rief er den Namen hinaus, und wie ein geistiges Echo schallte er über die weiße, karge Ebene - ungehört und doch empfunden.
    ***
    Fort Providence, 1934
    Der Rest der Vorbereitungen war schnell erledigt gewesen. Bennetts Gold brachte ihnen trotz Inflation ein stattliches Sümmchen Dollars ein, das sie alsbald in Schürfwerkzeuge, den Airstream und den LaFayette umsetzten - sowie in einige Kleinigkeiten, die unerlässlich bei einer solchen Mission waren: winterfeste Kleidung, Konserven, Decken, Benzin und Medizin.
    Buchstäblich im Handumdrehen hatte Jack seine Zelte in der Stadt, die Zeit seines Lebens seine Heimat gewesen war, abgebrochen. Zwei Besuche - einer bei Anne, die ihn zunächst gar nicht ins Haus lassen wollte, und einer bei Shelley, die vermutlich noch immer weinend auf ihrer Veranda stand und die Straße hinabblickte - und ein paar knappe Gespräche mit denjenigen, die er in den Schlangen und Notunterkünften näher kennengelernt hatte. Die meisten hielten ihn für verrückt. »Du reist also einfach so mit einem dahergelaufenen Großmaul ans Nordkap«, hatte der alte Emmett gespottet, »nur, weil er dir von Reichtum vorschwärmt und ein wenig mit der Börse klimpert?«
    Jack hatte erwidert, man müsse Risiken eingehen und auch mal auf den Außenseiter setzen, um wirklich gewinnen zu können. Das sei der amerikanische Weg, und nur der führe einen Mann aus der Krise.
    Der Einwurf war an Emmett abgeprallt. »Ich kenne die Sorte Leute, die große Augen machen, wenn jemand von Geld erzählt und seine Brieftasche präsentiert«, hatte er gesagt. »Man nennt sie Amüsiermädchen, und für ein oder zwei glattgebügelte Abe Lincolns konnte man zu meiner Zeit 'ne ganze Menge mit ihnen anstellen…«
    Ein böswilliger, neidvoller Kommentar - so war es Jack damals vorgekommen. Mittlerweile sah er auch das ein wenig differenzierter. Mittlerweile hatte er gut dreißig Tage der Reise hinter sich. Vier mühsame und strapazenreiche Wochen, in denen er mehr als einmal an der Glaubwürdigkeit seines mysteriösen Partners zweifeln musste. Konnte man wirklich einem Mann vertrauen, der einen LaFayette für einen geländetüchtigen Wagen hielt? Verfügte so ein Mann tatsächlich über die Erfahrung, die zu haben er behauptete?
    Es war eine späte Erkenntnis, die Jack Dellinger in Kanada ereilt hatte. Sie traf ihn hart und am vermutlich unpassendsten Ort. Fern der Heimat und in einer Umgebung, die alles andere als freundlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher