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0915 - Murcons Vermächtnis

Titel: 0915 - Murcons Vermächtnis
Autoren: Unbekannt
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einstellte. Tiefes Schweigen herrschte in der runden, von düster-blauem Licht erfüllten Kammer, in der Murcon die Strafe an den Übeltätern vollstreckt hatte.
     
    *
     
    Es war bereits eine halbe Stunde vergangen, und noch immer hatte Pankha-Skrin nichts gefunden, was er als Zeichen hätte deuten können. Nicht etwa, daß der Quellmeister die Suche mit großem Eifer betrieb. Er hatte es sich im Gegenteil auf dem felsigen Boden bequem gemacht und schien das Forschen seinem Verstand zu überlassen.
    Der humpelnde Tantha konnte sich nicht erklären, warum der Loower die Ungewißheit mit soviel Gelassenheit akzeptierte.
    „Wie lange, meinst du, werden wir noch warten müssen?" fragte er.
    Pankha-Skrin hatte seinen Begleiter längst durchschaut.
    „Ich weiß, daß du ungeduldig bist", erwiderte er. „Aber sieh, mein Freund, Ungeduld bringt uns nicht weiter. Die Mächte, mit denen wir es hier zu tun haben, denken und empfinden in langen Zeiträumen. Sie überstürzen nichts. Also sollten auch wir an uns halten und warten, bis die rechte Zeit gekommen ist."
    „Woher nimmst du die Sicherheit, daß es überhaupt ein Zeichen geben wird?"
    „Ich bin meiner Sache keineswegs so sicher, wie du meinst. Ich glaube allerdings, ein Schema zu erkennen.
    Die Schleierkuhle ist so angelegt, daß nur der, der seinen Verstand zu gebrauchen weiß, in sie eindringen kann. Die erste Prüfung waren die beiden Pforten. Die zweite Prüfung findet hier statt. Es kann durchaus sein, daß ich mich täusche. Ich bin bereit, hier zwei oder drei Tage zu warten. Wenn bis dahin nichts geschehen ist, werden wir den Weg aufs Geratewohl fortsetzen."
    „Zwei oder drei Tage!" staunte der Humpelnde. „Vergiß nicht, daß unsere Vorräte nicht unbegrenzt sind!"
    Pankha-Skrin machte eine abwehrende Handbewegung.
    „Wenn du Hunger und Durst empfindest, mein Freund, dann labe dich. Ich kann lange Zeit ohne Nahrung auskommen. Kümmer dich nicht um mich. Ein wenig Ruhe dagegen wird mir überaus guttun. Bitte wecke mich, wenn etwas Außergewöhnliches geschieht."
    Pankha-Skrin faltete die Greifarme unter der Decke der Schwingen und zog die beweglichen Augen ein.
    Das waren die äußerlichen Zeichen, daß er sich zur Ruhe begeben hatte. Der humpelnde Tantha machte sich über die Vorräte her und aß und trank soviel, wie er verantworten zu können glaubte. Danach fühlte er sich müde. Er fragte sich, wie wichtig es wohl sein möge, daß er die Augen offenhielt. Er kam zu dem Schluß, daß außergewöhnliche Ereignisse entweder ihn oder den Loower auch aus dem Schlaf wecken würden. Darauf streckte er sich auf dem Felsboden aus und war wenige Sekunden später eingeschlafen.
    Nach zwei Stunden erwachte Pankha-Skrin aus einem intensiven Tiefschlaf, der ihn ungemein erfrischt hatte. Für ihn, den Loower, gab es nicht jene Übergangsphase zwischen Schlaf und Wachen, während der Verstand sich zurechttastet und an die vergessene Umwelt von neuem gewöhnt. Pankha-Skrin war sofort hellwach.
    Er sah sich um und erkannte, daß das Zeichen gegeben worden war.
     
    *
     
    Die Gabelung des Stollens, war verschwunden. Der Gang erstreckte sich nach rechts und links, so weit der Blick reichte. Von einer Verzweigung war keine Spur mehr.
    Pankha-Skrin rührte sich nicht von der Stelle. Er fuhr die Augen ein und rief sich in Erinnerung zurück, wie die Szene ausgesehen hatte, bevor er zur Ruhe ging. Er hatte es sich an der rechten Gangwand wenige Schritte vor der Gabelung bequem gemacht. Von dort, wo er saß, hatte er den rechten Teil der Gabelung nur dann sehen können, wenn er die Augen auf ihren Stielen ein wenig zur Seite drehte. Den linken Zweig dagegen hatte er ohne Drehung einsehen können.
    Also war es der rechte Teil der Gabelung, der verschwunden war. Denn Pankha-Skrin konnte den Gang entlangschauen, ohne die Augen zu bewegen.
    Jetzt erst richtete er sich auf. Der humpelnde Tantha lag lang ausgestreckt auf dem harten Boden und schlief friedlich. Das sollte ihm, meinte der Quellmeister, zu erhöhtem seelischen Gleichgewicht gereichen; denn er wäre vermutlich aus der Haut gefahren, hätte er die rechte Hälfte der Gabelung vor den eigenen Augen verschwinden sehen.
    Pankha-Skrin klopfte die rechte Wand des Stollens ab, aber mit keinem Laut verriet der Fels, daß es hier früher einen Zweiggang gegeben hatte. Es bereitete dem Quellmeister kein Vergnügen, zu erkennen, daß sein Bewußtsein so nachhaltig irregeführt werden konnte. Er hatte sich für nahezu
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