0914 - Stygias Angriff
Stücke reißen zu müssen, so wütend war sie.
Ach, und was schlägst du vor? Sie musste sich beherrschen, um die Frage nicht laut zu stellen. Hinterher hätte man ihr noch nachsagen können, dass sie mit sich selbst redete. So weit kam es noch.
Doch das Andere in ihr - sie weigerte sich, dieses Wesen, das sich in ihr eingenistet hatte, als Kind zu bezeichnen -, das sich gnadenlos in alles einmischte, was sie in letzter Zeit zu entscheiden geruhte, tat ihr nicht den Gefallen, sich noch einmal zu äußern. Es schwieg.
»Was auch immer Ihr vorhabt, Herrin«, erklang auf einmal eine träge Stimme neben Stygia, »es wird sicher Erfolg versprechend sein.« Sie schreckte auf. War ihr ihr innerer Kampf so stark anzusehen?
Sie warf einen misstrauischen Blick auf die Gestalt neben ihr. Der schöne Vampir, der Gespiele ihrer letzten Tage, warf ihr einen lasziven Blick zu. Stygia überlegte kurz. Es war gefährlich, auf den Ratschlag anderer zu hören, das wusste sie. Und ob es sonderlich schlau war, sich ausgerechnet auf diesen Kerl hier zu verlassen? Wusste sie überhaupt, wo er herkam?
Er war eines Tages einfach hier aufgetaucht. Weil er schön war und sich ihr demütigst angeboten hatte, hatte sie ihn in ihre Dienste genommen - und es hatte sich gelohnt. Bisher. Aber vielleicht war es andererseits ja auch gar nicht so dumm, sich erst einmal anzuhören, was er zu sagen hatte.
»Warum sollte ich das tun? Und warum sollte ich auf das hören, was du sagst?«
»Bedenke, Herrin, du willst jemanden angreifen, um dir Ehre zu verschaffen. Das ist lobenswert.«
Stygia zog die Brauen zusammen. Das klang genauso wie dieses vermaledeite Ding in ihr. Das ärgerte sie nur noch mehr. »Du solltest zusehen, dass du dich nicht um Kopf und Kragen redest! Raus mit der Sprache, was willst du mir damit sagen?«
»Ehrwürdige, ich will nichts weiter sagen, außer dass du recht mit allem hast, was du tust.«
Siehst du, selbst dieser dumme Vampir rät dir zu tun, was ich dir vorschlage. Du solltest auf ihn hören, wenn schon nicht auf mich.
Stygia knüllte die Liste zu einem Ball zusammen und schleuderte ihn in eine Ecke. Sie stand auf und ging ein paar Schritte hin und her, bevor sie vor dem Jüngling stehen blieb. »Warum sagst du mir das? Wer hat dir gesagt, dass du mir schmeicheln sollst?«
Der Vampirjüngling rekelte sich. Ein maliziöses Lächeln spielte um seine Lippen. »Herrin, du musst nichts tun, was ich dir sage. Woher sollte wohl einer deiner Gegner so schnell wissen, was du zu tun wünschst?«
Stygia starrte auf den jungen Mann herunter. Hatte er nicht recht? Sie hatte sich erst vor einigen Stunden dazu durchringen können, etwas gegen Zamorra und seine Familie zu unternehmen. Aber was, wenn einer der rivalisierenden Erzdämonen hinter seinem Ratschlag stand? Ärgerlich warf sie sich in ihren Thron und beschloss, den Vampir Vampir sein zu lassen.
Er hat dennoch recht.
Schon wieder du! Stygia musste sich zusammennehmen, um nicht sofort im wahrsten Sinne des Wortes Gift und Galle zu spucken.
Es kann dir doch egal sein, wer dir hier etwas rät. Hauptsache, du tust am Ende das Richtige.
Stygia hielt kurz inne. So wenig ihr das passte, aber da hatte das Andere in ihr recht. Sie beschloss, dem Rat zu folgen. Der Vampir konnte von ihrem… nun ja, Innenleben nichts wissen. Und wenn er von allein darauf kam, dann war es vielleicht gar keine so dumme Idee. Sie verdrängte den Gedanken daran, dass sie nicht von allein auf diese Idee gekommen war, und beschloss, nach vorn zu sehen. Es versprach eine Menge Spaß, Zamorra nicht selbst anzugreifen, sondern doch lieber ein Mitglied seiner Bande. Man könnte sie alle in einen Sack stecken und drauf herumtrampeln , dachte Stygia. Man würde trotzdem immer den Richtigen treffen. Und davon abgesehen, dass ich etwas in dieser Richtung tun muss, um meine Position zu festigen, würde es sicher auch Spaß machen, Zamorra einmal ordentlich leiden zu sehen.
Sie warf sich lachend in ihren Thron. Dieser Drache lag laut den Informationen der Archivare im Koma. Woher die so etwas überhaupt wissen? , fragte sie sich unwillkürlich. Aber sie beschloss, das nicht weiter zu hinterfragen.
Die Antwort darauf war zu kompliziert. Darum würde sie sich ein anderes Mal kümmern.
»Schleppt diesen Wolf wieder herein!«, schrie sie schließlich.
Fortnar wurde von unzähligen Irrwischen hereingezerrt, die sich in seinem spärlichen Fell festgekrallt hatten und nach Leibeskräften an dem widerstrebenden
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