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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit
Autoren: Simon Borner
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Mantels hoch und senkte den Kopf ein wenig, während er zielstrebig über den Marktplatz in die Simeonstraße ging, der Porta Nigra und, einige hundert Meter hinter ihr, auch seiner Wohnung entgegen. Groß und imposant stand die von mehreren Scheinwerfern touristenfreundlich angestrahlte Porta. Das »schwarze Tor«, das einst in die Stadt geführt hatte, inmitten der modernen Häuser, der Ampeln und Straßen. Es wirkte unbeeindruckt vom hektischen Treiben der Gegenwart; gerade so, als hätte es alles schon gesehen und könne von nichts mehr überrascht werden.
    Bis vor zwei Stunden hätte Thomas diese Ansicht noch geteilt.
    Als er die winzige Judengasse passierte, hörte er den Lärm. Aus einer Kneipe links von ihm traten zwei schwankende Gestalten auf den Gehsteig, vermutlich Zecher, die nicht heimgehen wollten und gerade hinauskomplimentiert worden waren. Thomas hörte, wie sie lautstark und schief von den Vorzügen spanischer Bordelle zu singen begannen, wechselte die Straßenseite und beschleunigte seinen Schritt.
    Dann geschah es.
    Aus der Stockstraße, wenige Meter weiter vor ihm, trat eine Gestalt und näherte sich den beiden Saufkumpanen. Thomas stockte der Atem, denn - es war der Römer!
    Kein Zweifel, er war es. Wie viele Leute liefen nachts um zwei schon dergestalt aufgemacht durch die Trierer City?
    Thomas keuchte erschrocken und presste sich in die Öffnung einer verschlossenen Ladentür. Er wusste nicht, warum, doch hatte er das Gefühl, jetzt besser nicht auffallen zu wollen.
    Auf der anderen Seite der breiten Fußgängerzone stellte sich der Römer den Beiden in den Weg. Der Speer in seiner rechten Hand glitzerte im gelblich-trüben Licht der Straßenlaternen, wie eine unausgesprochene Drohung. Thomas hörte die Männer lachen. »Wat solls du denn sein?«, rief einer belustigt, und der Wind trug den gelallten Satz meterweit fort. Dann sagte der Römer etwas, leiser, was Thomas nicht verstand, doch auch dies quittierten die Trunkenbolde mit herzlichem Gelächter.
    Der Römer wiederholte seine… Frage? Aufforderung? Thomas verstand kein Wort des an Latein erinnernden Gefasels, doch klang der Kostümierte nun wütender. Irgendwie ungeduldig.
    Plötzlich hob er seinen Speer, richtete ihn auf die Männer und wiederholte seinen Spruch ein drittes Mal.
    Dann stach er zu!
    Ein gellender Schrei erklang, als sich die Spitze der Waffe in den Leib des rechten Betrunkenen bohrte. Fassungslos stand sein Kumpan daneben, während der Römer den Speer wieder herauszog und sein Opfer mit einem lauten Grunzen zu Boden ging. Blut lief über das Straßenpflaster. Thomas glaubte seinen Augen kaum.
    Nun kam Leben in den zweiten Mann. Mit einem Mal stocknüchtern wirkend, warf er den Kopf in den Nacken und schrie um Hilfe, was das Zeug hielt. Der Römer jedoch machte auf dem Absatz seiner Sandalen kehrt und eilte wieder zurück in die Stockstraße. Einzig Thomas Scheuerer, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen guten Überblick hatte, konnte noch sehen, wie er dort in einer Wolke aus dichtem Nebel verschwand.
    ***
    Das Gesicht des uniformierten Polizisten war die Fleisch gewordene Arroganz, zumindest machte es auf Thomas diesen Eindruck. Regungs- und emotionslos blickte der Staatsdiener ihm entgegen und zeigte keinerlei Anzeichen, auf seine Bemerkung reagieren zu wollen. Typisch.
    Die Polizei war vor wenigen Minuten eingetroffen und hatte sofort damit begonnen, die Ecke Simeonstraße und Judengasse weiträumig abzusperren. Ein Fotograf stolzierte umher und schoss Bilder für die Akten, zwei weitere Polizisten knieten auf dem Straßenpflaster und stellten kleine gelbliche Schildchen mit Nummern auf, und über der Leiche des toten Kneipengängers hatte irgendjemand ein weißes Laken ausgebreitet, das sich allmählich mit Blut voll sog.
    Das sieht langsam so aus, als hätte sich Hannibal Lecter an Batik versucht , dachte Thomas und war selbst überrascht, wie viel Humor er dieser kranken Situation noch abgewinnen konnte. Abermals wandte er sich dem Mann zu, der ihm den Weg zum Tatort versperrte.
    »Hören Sie, ich bin Augenzeuge. Ich habe den Tathergang beobachtet, Herrgott noch mal, wollen Sie das denn nicht zu… zu Protokoll nehmen, oder wie auch immer Sie das nennen?«
    Den letzten Kontakt mit den Freunden und Helfern hatte Scheuerer vor zehn Jahren gehabt, als man ihn wegen dieser unschönen Sache mit der Witwe Degenbach in Schimpf und Schande aus Worms gejagt hatte, und er war innerlich stolz darauf, ihnen
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