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09 - Geheimagent Lennet und der verräterische Lippenstift

09 - Geheimagent Lennet und der verräterische Lippenstift

Titel: 09 - Geheimagent Lennet und der verräterische Lippenstift
Autoren: Vladimir Volkoff
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erwiderte der Bursche.
    »Ich bin neu hier", gab Lennet zurück und zog die Tänzerin mit sich.
    Sie kamen an den beiden Zimmern der Wächter vorbei, dann an den Aufzügen, bogen um die Ecke in den linken Gang und erreichten die Feuertreppe. Im Laufschritt rannten sie zum zweiten Stock hinab, über den Flur bis zur Eisentreppe.
    Nadja Ratan lief tapfer, die Hand in der Hand Lennets, den sie übrigens um einen halben Kopf überragte.
    Als sie in der Passage mit den Läden angekommen waren, die zu dieser späten Stunde natürlich alle geschlossen waren, gingen sie etwas langsamer, um nicht die Aufmerksamkeit der wenigen späten Passanten auf sich zu ziehen. Sie gingen durch den Bahnhof und landeten auf dem Vorplatz. Ein eisiger Wind schlug ihnen entgegen. Ein Taxi wartete. Der Fahrer stritt sich gerade heftig mit einem Polizisten, der ihn zum Weiterfahren aufforderte.
    »Ich fahre ja, ich fahre ja schon", sagte der Fahrer. »Da ist mein Kunde, glaube ich. Sie sind doch der Herr, der von meinem Vetter kommt?«
    »Richtig", antwortete Lennet knapp.
    Er ließ Nadja einsteigen, folgte ihr und sagte zu dem Fahrer, der bereits startete: »Zur Bundespolizei!«
    Der große Wagen raste durch die nächtliche Kälte.
    Gerettet, dachte Lennet stolz.
    Die Primaballerina saß zurückgelehnt auf ihrem Sitz und zerknüllte nervös ein Taschentuch zwischen den Fingern.
    »Wird mich die Polizei nicht zu Kanar zurückschicken?« murmelte sie. »Sind Sie da auch ganz sicher?«
    »Ich verspreche es Ihnen. Ich kenne einen ihrer besten Leute.
    Er ist ein Freund von mir.«
    Das Taxi fuhr den Boulevard Dorchester hinauf. Lennet zog die Kellnerjacke aus und schlüpfte in seinen Mantel.
    »Wer sind Sie?« fragte die Tänzerin. Er zögerte.
    »Ich heiße Marie-Joseph Lafleur", antwortete er endlich. Er warf einen verstohlenen Blick auf das bleiche Gesicht der schönen Frau, deren Anwesenheit ihn noch immer einschüchterte. »Fräulein Ratan, darf ich fragen warum... ich möchte gern wissen... warum Sie...«
    »Warum ich fliehen wollte?«
    »Nein. Aber warum Sie gerade auf mich gekommen sind.
    Warum haben Sie mir diese Nachricht gegeben? Sehe ich jemandem ähnlich?«
    »Nein. Ich weiß nicht. Ich wollte fliehen. Ich habe ein Gesicht gesucht, das mir vertrauenserweckend vorkam. Dann habe ich Sie entdeckt. Sie schienen so jung, so aufrichtig. Ich war sicher, daß Sie mich nicht verraten würden.«
    Lennet neigte den Kopf. Gleich waren sie am Ziel. Phil oder ein anderer Offizier der Bundespolizei würde die Tänzerin unter seine Fittiche nehmen. Sie würde um politisches Asyl bitten.
    Lennets Rolle war zu Ende.
    »Mademoiselle, ich möchte Sie noch etwas fragen...«
    »Was?«
    »Warum... warum haben Sie noch immer die Perücke auf?«
    Plötzlich lachte die Tänzerin schallend.
    »Meine Perücke... meine Perücke", wiederholte sie. »Aber das sind doch meine eigenen Haare. Probieren Sie. Sie können ruhig daran ziehen.«
    »Das würde ich nie wagen", sagte Lennet.
    »Wieso glauben Sie, das sei eine Perücke?«
    »Ich habe nicht gewußt, daß es so schöne natürliche Haare gibt", antwortete Lennet naiv.
    Die Tänzerin lachte nervös weiter bis zu dem Augenblick, da der Fahrer jäh auf die Bremse trat und sagte: »Polizei!«
    Lennet gab ihm die beiden Geldscheine, die er und sein Vetter sich verdient hatten.
    Es regnete aufs neue, und der Matsch ging ihnen bis zu den Knöcheln. Glücklicherweise hatte Lennet feste Schuhe an, und die Tänzerin trug hohe Lederstiefel. Sie gingen zusammen in den Warteraum, und Lennet erklärte dem diensthabenden Polizisten, daß er Captain Himbeer oder einen seiner Stellvertreter dringend sprechen müsse.
    »Ihre Ausweise, bitte!« befahl der Polizist. Lennet reichte ihm die Papiere des Marie-Joseph Lafleur und erklärte ihm, daß die Tänzerin ohne Papiere da sei, weil Kanar alle Pässe der Truppe während des Aufenthaltes in Kanada unter Verschluß hielt.
    Gleich darauf wurden sie in ein überheiztes Büro geführt, und gleich nach ihnen kam auch der Polizist mit der rosa Nelke. Er sah noch mißtrauischer aus als im Theater. Obgleich er Lennet erkannte, lächelte er nicht.
    »Der Chef ist nach Ottawa gefahren, um ihrer Spur nachzugehen!« erklärte er.
    »Und der Verdächtige, den ihr verhaftet habt?«
    »Man verhört ihn gerade.«
    »Spricht er?«
    »Man verhört ihn", wiederholte der Polizist. »Aber was ist mit der Dame hier?«
    »Das ist Fräulein Nadja Ratan. Die Primaballerina. Sie bittet in Kanada um politisches
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