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09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)

Titel: 09 Der Sohn des Greifen (alte Übersetzung)
Autoren: George R. R. Martin
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das flackernde Licht eigenartig widerspiegelte, wirkten die Gesichter tierisch, nur halb menschlich und seltsam verzerrt. Lord Stout wurde zu einer Dogge, der alte Lord Locke zu einem Geier, Hurentod Umber ein Wasserspeier, der Große Walder Frey ein Fuchs, der Kleine Walder ein roter Bulle, allerdings ohne Ring in der Nase. Roose Boltons Gesicht war eine blasse, graue Maske mit zwei Stücken schmutzigen Eises anstelle der Augen. Über ihren Köpfen waren die Bäume voller Raben, die mit aufgeplusterten Federn auf kahlen braunen Ästen hockten und auf den Pomp unten herabstarrten. Maester Luwins Vögel. Luwin war tot, der Turm des Maesters war niedergebrannt, doch die Raben waren geblieben. Dies ist ihr Zuhause. Theon fragte sich, wie es sein mochte, ein Zuhause zu haben.
    Dann teilte sich der Nebel wie der Vorhang bei einem Mimenspiel und enthüllte ein neues Bild. Der Herzbaum erschien vor ihnen, seine knochigen Äste breiteten sich in weitem Umkreis aus. Um den dicken weißen Stamm herum lagen Haufen aus rotem und braunem Laub. Hier saßen die meisten Raben und murmelten miteinander in der geheimen Sprache ihres Schwarms. Ramsay Bolton stand unter ihnen und trug hohe Stiefel aus weichem grauem Leder, ein schwarzes Samtwams, das mit rosa Seide abgesetzt war und mit glitzernden Tränen aus Granat geschmückt war. Ein Lächeln tanzte über sein Gesicht. »Wer kommt?« Seine Lippen waren feucht, sein Hals über dem Kragen war rot. »Wer tritt vor den Gott?«
    Theon antwortete: »Arya aus dem Hause Stark kommt her, um sich zu vermählen. Eine Frau, erwachsen und erblüht, von rechtmäßiger Geburt und adliger Abkunft, tritt sie vor und erbittet den Segen der Götter. Wer beansprucht sie?«
    »Ich«, antwortete Ramsay. »Ramsay aus dem Hause Bolton, Lord von Hornwood, Erbe von Dreadfort. Ich beanspruche sie. Wer gibt sie?«
    »Theon aus dem Hause Greyjoy, der ihres Vaters Mündel war.« Er wandte sich an die Braut. »Lady Arya, möchtet Ihr diesen Mann zum Gemahl nehmen?«
    Sie hob den Blick und sah ihn an. Braune Augen, keine grauen. Sind sie denn alle so blind? Einen langen Moment sagte sie nichts, nur ihre Augen flehten ihn an. Dies ist deine Gelegenheit, dachte er. Sag es ihnen. Sag es ihnen jetzt. Schrei deinen Namen heraus, im Angesicht aller Gäste, sag ihnen, dass du nicht Arya Stark bist, lass den ganzen Norden hören, wie man dich dich gezwungen hat, diese Rolle zu spielen. Natürlich würde sie dafür mit dem Leben bezahlen, und er selbst ebenfalls, aber in seinem Zorn würde Ramsay sie beide womöglich schnell töten. Die alten Götter des Nordens würden ihnen diese kleine Gunst vielleicht gewähren.
    »Ich nehme diesen Mann«, flüsterte die Braut.
    Um sie herum leuchteten Lichter im Nebel, einhundert Kerzen, blass wie verhüllte Sterne. Theon trat zurück, und Ramsay und seine Braut reichten sich die Hände, knieten vor dem Herzbaum und neigten die Köpfe als Zeichen der Unterwerfung. Die geschnitzten roten Augen des Wehrholzbaums starrten auf sie herab, der große rote Mund stand offen, als würde er lachen. In den Ästen oben krächzten die Raben.
    Nach einem kurzen stillen Gebet erhoben sich Mann und Frau wieder. Ramsay nahm der Braut den Mantel ab, den ihr Theon gerade erst umgehängt hatte, den schweren weißen Wollmantel mit dem grauen Pelz und dem Schattenwolf des Hauses Stark. An dessen Stelle legte Ramsay ihr einen rose Mantel an, der mit roten Granaten gesprenkelt war, den gleichen wie auf seinem Wams. Auf dem Rücken sah man grimmig und grässlich den gehäuteten Mann von Dreadfort in steifem rotem Leder.
    Und so schnell war die Angelegenheit auch vorüber. Im Norden war eine Heirat rasch erledigt. Das lag daran, dass es keine Priester gab, nahm Theon an, aber worin auch immer der Grund bestand, ihm erschien es wie eine Gnade. Ramsay Bolton hob seine Gemahlin auf die Arme und ging mit ihr durch den Nebel davon. Lord Bolton und seine Lady Walda folgten ihnen, dann die anderen. Die Musiker begannen wieder zu spielen, und der Barde Abel sang »Zwei Herzen, die wie eines schlagen.« Zwei seiner Frauen fielen in seinen Gesang ein und versüßten die Melodie.
    Theon erwischte sich dabei, wie er sich die Frage stellte, ob er ein Gebet sprechen sollte. Ob mich die alten Götter erhören, wenn ich es tue? Es waren nicht seine Götter und waren es nie gewesen. Er war ein Eisenmann, ein Sohn von Pyke, sein Gott war der Ertrunkene Gott der Inseln … Aber Winterfell war viele, viele Meilen vom Meer
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