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0895 - Schattenkiller

0895 - Schattenkiller

Titel: 0895 - Schattenkiller
Autoren: Jason Dark
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Atem, keuchte, strengte sich an, hatte es endlich geschafft und blieb für einen Moment starr stehen, als die Geister sie erwischten.
    Kalte Geister, die in ihr Gesicht bliesen, die Haare zerwühlten und sie das Meer schmecken ließen.
    Es roch nach Frische, aber auch nach Angst!
    Lucille schauderte zusammen. Angst? Wieso kann man Angst riechen? Sie glaubte, es wäre alles nur Einbildung. Die Angst kann man nicht riechen, sie ist einfach da, sie ist ein Stück Seele. Lucille beschäftigte sich mit diesem Gedanken, während sie endlich dieses für sie mächtige Gefängnis verließ.
    Sie lief hinein ins Freie und hinaus in die Nacht, die sie mit ihren Schattenarmen umfing. Wind zerrte an ihren Haaren und ließ sie flattern wie eine Fahne. Der Himmel über ihr war weit, groß und wuchtig. Das Schloß stand auf dem Fels wie eine Trutzburg. Es stemmte sich gegen die Unbilden der Natur, es war ein Bollwerk gegen die Gestalten wie Wind und Wetter. Über lange Zeit hatte es schon standgehalten, und es würde auch weiterhin standhalten.
    Aber ohne Lucille Anderre. Sie wollte es einfach nicht. Sie war nicht in der Lage, hier zu leben, und auch dorthin, von wo sie geflohen war, würde sie nicht mehr hingehen. Sie würde versuchen, ihr Leben auf die eigenen Beine zu stellen, und dabei mußte sie ganz von vorn anfangen. Ohne Geld, ohne einen Franc in der Tasche, aber mit einem eisernen Willen und einer großen Portion Optimismus versehen. Sie war jung, die andere Welt stand ihr offen, und sie würde sich durchbeißen, davon ging sie aus. Sonst hätte sie es nicht versucht.
    Ihre Beine bewegten sich den Weg entlang. Das Schloß lag hinter ihr. Nur einmal drehte sie sich um. Lucille wollte es nicht, sie erschrak trotzdem, denn der Bau war für sie nichts anderes als eine Drohung aus Stein, die jeden Augenblick über sie zusammenbrechen konnte. So sollten Elternhäuser beileibe nicht sein. In diesem Schloß hatte sie nie das gefunden, was sie suchte.
    Einsamkeit, Himmel, Wind - das alles waren ihre Begleiter, als sie mit hastigen Schritten durch die Nacht eilte. Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie ihren Mantel nicht mitgenommen hatte. Sie fror, denn der kalte Wind blies durch den Pullover.
    Lucille Anderre drückte den Kopf nach vorn. Sie wollte den Wind auch nicht mehr in ihrem Gesicht spüren, doch sie mußte auch so zurechtkommen, und irgendwann würde sie schon einen wärmeren Ort finden.
    In den Kerker mit dir! In den Kerker mit dir!
    Lucille schrie auf, denn diese schrecklichen Gedanken hatte sie sich nicht gewünscht. Der Kerker sollte sie nicht bekommen; der Kerker war grauenhaft. Der Kerker war für sie das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte.
    Sie gab nicht acht. Die Beine reagierten nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Lucille stolperte, ohne den Schwung wieder abfangen zu können, und sie landete auf dem kalten Boden. Mit dem rechten Handballen rutschte sie über die Erde hinweg, schrammte sich die Haut am Gestein auf, rollte sich über die Schulter ab, um dann wieder auf die Beine zu kommen.
    Sie blieb stehen, bog den Rücken durch, atmete heftig, wobei sie trotz der Kälte den Schweiß auf der Stirn spürte. Vorsichtig drehte Lucille den Kopf und schaute zurück.
    Sie war eine ziemliche Strecke gelaufen. Nur kam es ihr vor, als hätte sie kaum etwas zurückgelegt.
    Das Schloß wirkte noch so verdammt nah. Es zeichnete sich in der Dunkelheit ab, als hätte es jemand gemalt. Sie hörte auch wieder das Tosen der Wellen, und die Echos rauschten in ihren Ohren.
    Woher kamen die Kopfschmerzen? Sie wußte es nicht, sie waren da, und sie waren wie eine Warnung.
    Vor wem?
    Sie schaute sich um.
    Und sie sah den Schatten!
    ***
    Zwei glutrote Augen in der tintigen Schwärze. Keine Chance mehr, diesem Unheil zu entkommen.
    Der Schatten stand nur wenige Schritte entfernt. Er lauerte, er würden sie packen, er würde sie fertigmachen, er würde wie der kalte Hauch des Todes auf sie zukommen, sie streifen, vielleicht in sie eindringen, sie auffüllen und…
    Lucille Anderre konnte nicht mehr denken. Da war für sie eine Welt zusammengebrochen. Alles, was sie sich bisher aufgebaut und vorgestellt hatte, gab es nicht mehr. Keine Zukunft für sie, alles war so schrecklich anders.
    Dunkel, negativ…
    Es gab kein Entrinnen mehr, der Schatten hatte mit ihr gespielt. Er hatte ihr die Flucht vorgegaukelt, um sie letztendlich zu stellen. Sie wußte nicht mal, ob er lächerlich oder gefährlich aussah. Andere hätten ihn
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