Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0875 - Medusas Tochter

0875 - Medusas Tochter

Titel: 0875 - Medusas Tochter
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
mühevoller Arbeit befreit hatte, da hatte ich mir auch den Spiegel zurechtgelegt, um kein Risiko einzugehen. Aber es war nicht nötig. Sie sprach zu mir wie eine normale Frau. Sie war mir dankbar, daß ich sie befreit hatte. Sie wollte von nun an bei mir bleiben und ihre Kraft in meine Dienste stellen. Ich überlegte, wie ich sie einsetzen konnte. Zudem wußte ich nicht, ob die Menschen bei ihrem Anblick zu Stein wurden. Sie wurden es. Bei einem Hirten auf einer Nachbarinsel unternahmen wir den Versuch. Er versteinerte. Von nun an war mir klar, welch eine Macht ich in den Händen hielt.« Seine Stimme nahm an Lautstärke zu. Er konnte den Triumph nicht mehr unterdrücken. »Ich nahm sie mit nach Europa, und ich ging unter das fahrende Volk. Ich baute mir mit ihrer Hilfe mein Geschäft auf. Sie haben die Living Dolls selbst erlebt…«
    »Dann sind diese Figuren also keine Menschen mehr?« flüsterte Jane, die sich nicht zurückhalten konnte.
    »Richtig.«
    »Sie sind Zwitter - oder?«
    »Ja, halb Mensch, halb Stein. Sie existieren, aber sie leben nicht. Sie können sich bewegen, aber sie können stundenlang stehen, ohne sich zu rühren. Veras Kraft ist ungewöhnlich. Sie kann Menschen völlig versteinern, sie auf der anderen Seite auch in einen Zustand bringen, wie Sie meine Freunde hier erleben. Das hat sie der echten Medusa voraus. Ich behaupte, daß sie sogar noch besser und stärker ist. Zumindest variantenreicher, Miß Collins.«
    »Das habe ich begriffen. Aber ich stehe trotzdem vor einem Rätsel. Es betrifft die Vergangenheit dieser Person. Wie ist sie zur Medusa geworden? Es muß doch einen Grund gegeben haben?«
    »Den gab es.«
    »Dann sagen Sie ihn.«
    Valendy lachte. »Sie wollen wohl alles immer sehr genau wissen, nicht wahr?«
    »Das ist meine Eigenschaft.«
    »Gut, ich will Ihnen etwas über die griechische Mythologie erzählen. Es gab die drei Fabelwesen mit den Schlangenhäuptern, die Gorgonen genannt wurden. Nach Hesiod waren es Schwestern. Stheno, Euryale und die sterbliche Medusa. Behütet wurden sie von ihren älteren Schwestern, deren Namen hier keine Rolle spielen. Wichtig ist, was ich vorhin sagte. Die Medusa ist sterblich. Vielleicht hat sie deshalb die Künstler immer wieder fasziniert, besonders in der Renaissance sind Gemälde von ihr überliefert worden. Die beiden Schwestern gerieten in Vergessenheit, aber bei den Fachleuten lebten sie weiter. Sie waren ebenso einmalig wie die Medusa, denn sie haben überlebt. Sie sind nicht sterblich, und sie haben tatsächlich etwas hinterlassen, nämlich meine Vera.«
    »Wann?« fragte Jane, die es hinnahm, was ihr Valendy gesagt hatte. »Wie alt ist Ihre Vera? So alt wie die Sagen?«
    »Nein. Jünger.«
    »Haben Sie eine Antwort bekommen?«
    »Ja, ich fragte sie. Erinnern konnte sie sich nicht, aber sie war nicht lange versteinert. Sie muß eine der beiden Schwestern oder zumindest deren Geister oder deren Magie auf dieser kleinen Insel getroffen haben, und deshalb geriet sie in deren Bann. Ob als Bild, als Figur oder als lebendige Person, ich weiß es nicht genau. Für mich ist nur wichtig, daß sie existiert und sich die Voraussagen der alten Mythologien erfüllen. Sie war wie ich eine Sucherin, aber sie wurde versteinert, doch die Gorgonen erklärten ihr, daß ein Befreier erscheinen würde, und dieser Mann bin ich gewesen. Einige Jahre, so denke ich, ist Vera schon im Fels gefangengehalten worden, doch was zählt das schon, wenn man bedenkt, daß sie ein fast ewiges Leben hat. Für mich war sie der große Wink des Schicksals. Ich habe sie herausgefordert, und sie steht auf meiner Seite. Ich habe sie auch Medusas Tochter genannt.«
    »Ja, sie hat getötet.«
    »Sicher.«
    »Immer dort, wo sie gerade gastiert haben, hinterließ Ihre Medusa die grausamen Spuren. Menschen wurden zu Stein, und man hat sie heimlich begraben oder einfach nur versteckt. Es ist eine grausame Spur, die einmal auffallen mußte.«
    »Hat man Sie deshalb geschickt?«
    »So ist es, Mr. Valendy. Man hat mich engagiert, um die Mordfälle aufzuklären. Ich bin Detektivin, und ich habe tatsächlich die Spur gefunden.«
    »Ja, das haben Sie.« Valendy jubelte die Antwort beinahe. »Aber es wird Ihnen nichts mehr nutzen, denn Sie werden zu ihren Opfern gehören. Ich reihe Sie ein in mein Kabinett. Für Sie wird es ebensowenig eine Rückkehr in die Normalität geben wie für meine Freunde hier, mit denen ich über Land ziehe. Ich habe mir auch schon ein Versteck ausgesucht, wo ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher