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0871 - Der silberne Tod

0871 - Der silberne Tod

Titel: 0871 - Der silberne Tod
Autoren: Jason Dark
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atmete er tief durch.
    Dabei hielt er die Augen geschlossen. Die Kirche wollte er jetzt nicht sehen, obwohl sie zu seinem Leben gehörte und sich alles um sie drehte.
    Schließlich überwand er sich, die Augen zu öffnen. Er schaute zum Himmel hoch, der aussah, als wäre er schraffiert worden.
    Da mischten sich mehrere dunkle Farbtöne miteinander. Das Grau deutete das Ende der Nacht an.
    Ein dunkles Violett wies auf das letzte Aufbäumen der Sonne hin, das sich noch einmal über den Himmel geschoben hatte und in das Grau eingedrungen war. Keine Farbe ließ sich mehr von der anderen trennen, aber diese Schattierungen erzählten vom ewigen Kampf zwischen Tag und Nacht.
    Alles fließt, alles ist in Bewegung. Der Mensch, die Natur, das Leben, die Zeit.
    Gedankenfetzen strömten durch Roger Crissons Gehirn. Er wußte sie selbst nicht einzuordnen, sie liefen quer, sie kamen von vorn, sie drückten von rückwärts, das Durcheinander in seinem Kopf war perfekt, und es war ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Erst allmählich gelang es ihm, sich wieder auf sein Ziel zu konzentrieren, die Kirche eben.
    Düster - schrecklich düster kam sie ihm vor. Aber das war normal zu dieser Tageszeit, es war immer so gewesen, all die Jahre über, doch an diesem Abend erschreckte ihn der Bau, der als Kirchenschiff so klumpig aussah und im Gegensatz dazu von einem sehr schlanken Turm überragt wurde. Crissons Ansicht nach, stimmten die Proportionen nicht, aber wer fragte schon ihn? Er kam sich manchmal vor wie das letzte Glied in der Kette. Ein französischer Priester verdiente sehr wenig, war es da ein Wunder, daß er hin und wieder seinen schmalen Geldbeutel aufgebessert hatte?
    Nur nicht daran denken. Sich auf keinen Fall mit diesen Gedanken abgeben, dann kehrte alles wieder zurück, und das wollte er auf keinen Fall. Statt dessen konzentrierte er sich auf die obere Hälfte des Turms, wo sich auch das Geläut befand.
    Er sah die Glocken nicht, dazu war es zu dunkel, und auch in den schmalen Öffnungen des Turms lauerten bereits die Schatten. Ein Blick jedoch reichte ihm aus, um den Turm zu hassen.
    Heiße Haßgefühle strömten in ihm hoch. Er mußte sich vom Fenster zurückziehen. Er wollte diesen Einblick nicht mehr länger ertragen. Wie betrunken taumelte er durch die Küche auf die Tür zu, die in den kleinen Flur hineinführte, an dessen Ende sein Arbeitszimmer lag. Ein dunkler Raum tat sich vor ihm auf, angefüllt mit den Schatten der Dämmerung, die sich durch die beiden Fenster gedrückt hatten. Er liebte seinen hohen Ledersessel und stützte sich an dessen Lehne ab.
    Schwer atmend blieb er stehen, den Blick auf den braunen Tisch vor dem Sessel gerichtet.
    Alles hatte sich verändert. Die Glockenschläge hatten die Vergangenheit zurückgeholt, aber er wollte sich damit nicht mehr abgeben. Er hatte seinen Glauben verraten, ja, einmal, es hatte ihm damals etwas gebracht, aber jetzt brauchte er… brauchte er…
    Der Schrank interessierte ihn.
    Bücher hatten sich dicht gedrängt hinter der Glasscheibe versammelt, die aber interessierten ihn nicht. Es gab andere Dinge, die wichtiger waren. Mit zitternden Fingern schloß er die rechte der beiden in Glas gefaßten Schranktüren auf, griff hinein und zerrte die Bücher mit einer spielerischen Leichtigkeit zur Seite, denn es waren an dieser Stelle nur Theaterattrappen.
    Dahinter standen die Flaschen.
    Cognac, Whisky, auch einige Magenbitter. Er griff zu einer Flasche Remy Martin, entkorkte sie und verzichtete auf einen Schwenker. Er trank das edle Gesöff direkt aus der Flasche und freute sich über den heißen Strom, der durch seine Kehle hinab bis in den Magen glitt und dort für Ordnung sorgte.
    Es tat ihm gut. Es machte ihn heiter, der Alkohol ließ ihn nach dem zweiten Schluck seine Sorgen vergessen, und mit der Flasche in der Hand wanderte er auf seinen Lieblingssessel zu, um sich schwer auf den Ledersitz fallen zu lassen.
    Es war ein guter, für Crisson sogar ein perfekter Platz, an dem er sich stets wohl gefühlt hatte.
    Noch einen Schluck aus der Flasche.
    Wunderbar, das tat gut. Dann den nächsten.
    Auch der war noch ein Genuß. Vielleicht war er es gewesen, der Crissons Blut verändert hatte, denn es kam ihm vor, als wäre es viel dickflüssiger geworden.
    Müde sein, schlafen können.
    Seine Augen wollten nicht mehr offen bleiben. Die Schwere lastete auf ihm. Es glich schon einem Wunder, daß er es noch schaffte, die offene Flasche neben sich auf den Boden zu
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