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0869 - Leichengift

0869 - Leichengift

Titel: 0869 - Leichengift
Autoren: Jason Dark
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einmal.
    »Das überlassen Sie auch besser uns.«
    »Es ist am besten, wenn Sie uns jetzt nicht stören«, erklärte Suko. Er ließ den Bahnbeamten stehen, der auf Sukos Rücken schaute und dabei nickte. Wie auf dem Sprung blieb er stehen, als wollte er jeden Augenblick starten.
    Ich hatte bereits den Einstieg erreicht, und Suko stellte sich neben mich. Die Wagentür war geschlossen. Ich schaute an der Seite des Waggons entlang, die Farbe war ein schmutziges Grau, das mit der Dunkelheit verschmolz. Wir wollten nicht an der Außenseite entlanggehen, sondern direkt den Wagen betreten.
    Ich legte die Hand auf die gebogene Klinke. Die Tür schwang auf, mir entgegen, vor uns lagen die beiden Stufen - und die Stille.
    Wir fühlten sie sehr deutlich, denn es war eine besondere Stille, wie wir sie kannten. Da lauerte etwas. Da war etwas in der Mache. Es wartete nur jemand darauf, um uns an den Kragen gehen zu können, und dieses Etwas strömte die Gefahr aus dem Dunkel aus.
    Aber wir sahen nichts.
    Ich stieg zuerst in den Wagen, den Kopf nach links gedreht. Vor mir lag die Dunkelheit wie ein Tier, das nicht nur aus einer Farbe bestand. An den Seiten war es weniger dunkel, denn dort befanden sich die Fenster, durch deren Vierecke gräulicheres Licht sickerte. Es war ein Großraumwagen mit Mittelgang. Rechts und links davon befanden sich die Sitze mit den Gepäckauflagen darüber.
    Die stickige Luft umgab uns wie dichter Filz. Ich wußte nicht, ob es die normale Luft war oder ob sie verändert worden war, weil eben irgendwo in diesem Wagen etwas Unaussprechliches lauerte, von dem wir bisher noch nichts gesehen hatten.
    Die Dunkelheit war zugleich Feind und Schutz.
    Wir bewegten uns schleichend, auch so leise wie möglich. Der Wagen kam mir vor wie ein Tunnel.
    Suko war dicht hinter mir geblieben. Hin und wieder spürte ich seinen Atem im Nacken, sogar noch etwas deutlicher, als ich stehenblieb und meine rechte Hand in die Tasche schob, wo die kleine Leuchte steckte. Es war ein Risiko, das wußte ich, und doch ging ich es bewußt ein. Ich zog die Lampe hervor, und hinter mir hielt Suko den Atem an. Er protestierte nicht. Ich konnte mich auch auf ihn verlassen. Er würde mir den Rücken decken, falls es zu einem Angriff kam.
    Der Daumendruck gegen den Knopf.
    Ein heller Strahl.
    Messerscharf jagte er durch die graue Finsternis hinein ins Leere. Ich traf kein Ziel, war für einen Moment enttäuscht, aber die Enttäuschung verschwand und schuf einem anderen Gefühl Platz, als ich den Arm nach links bewegte.
    Ich traf das Ziel!
    Bleich sah die ehemals dunkle Frauenhand aus, totenbleich…
    Der Unterarm lag noch auf der Sitzlehne. Die Hand war darüber hinweggekippt. Sie bewegte sich nicht, sie würde sich auch nicht mehr bewegen, denn sie gehörte einer Toten.
    Es war die Putzfrau.
    Ich ging einen Schritt nach vorn, während Suko die Umgebung im Auge behielt.
    Der helle Lichtstrahl erwischte den Körper, dann das Gesicht, Ein eisiger Schreck durchfuhr mich.
    Der Magen wollte revoltieren, denn das Gesicht der Toten bestand aus einer einzigen Wunde, als hätte ein Untier seinen Haß an diesem Menschen ausgelassen…
    ***
    Der Anblick hatte mir einen Schock versetzt, und auch Suko, der neben mich getreten war, reagierte kaum anders. Wir waren beide nur Menschen und keine Maschinen. Wir wurden oft mit dem Tod und dem Grauen konfrontiert. In diesem verdammten Wagen aber kam mir beides noch sinnloser vor, als es ohnehin schon war.
    »Rapp hat nicht gelogen, John…«
    »Sicher.« Ich löschte das Licht, es hatte mir gereicht. Dieser Anblick war wie ein Schlag mit der Faust gewesen, und er hatte mich unter der Gürtellinie erwischt.
    Dunkelheit hüllte uns ein.
    Aber nicht mehr die Stille. Einige Fliegen hatten es geschafft, in den Wagen zu huschen. Wir hörten ihr Gesumm, wahrscheinlich waren sie vom Blutgeruch der Toten oder vom Licht angelockt worden.
    Es gab die Tote, aber wo war der Mörder?
    Ich wußte es nicht, aber ich glaubte fest daran, daß er sich hier im Wagen aufhielt. Ein raffiniertes Versteck, unter einem Sitz oder wo auch immer.
    »Er ist bestimmt hier!« wisperte ich.
    »Das glaube ich auch«, gab Suko ebenso leise zurück.
    Wir waren innerlich darauf eingestellt, uns mit ihm auseinanderzusetzen, und ich schaltete abermals die Lampe ein.
    Der Strahl zerschnitt die Finsternis. Ich ließ ihn nach rechts wandern, weil wir dort ein Geräusch gehört hatten.
    Kein Irrtum, denn urplötzlich tauchte er zwischen den Sitzen auf
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