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0869 - Leichengift

0869 - Leichengift

Titel: 0869 - Leichengift
Autoren: Jason Dark
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weggefressen worden waren. Damit fertig zu werden, war nicht einfach. Ich würde mich auch nie an einen derartigen Anblick gewöhnen können, aber das war jetzt alles die reine Nebensache, es zählte nur diese Gestalt, der Mörder.
    Und noch etwas fiel mir auf.
    Um seinen Hals hing eine Kette. Es war eine besondere Kette, die möglicherweise aus einem Band bestand, was wir aber nicht sehen konnten, da es von den Dingen verdeckt wurde, die die Kette ausmachten. Klobige Anhänger, die weißlich oder grau schimmerten. Beim ersten Hinschauen erinnerten sie an dicke Knoblauchstücke, was allerdings nicht der Fall war, denn Knoblauch hätte gerochen. Diese Kette stank nicht.
    Ich wartete darauf, daß der Namenlose etwas unternahm. Eine Frau hatte er getötet, und auch uns mußte er als Feinde ansehen. Ich wußte nicht, wie lange wir uns schon gegenüberstanden. Es mochten zehn oder fünfzehn Sekunden vergangen sein, aber mir kam die Zeit wesentlich länger vor, und ich konnte den Blick nicht abwenden. Die andere Gestalt fesselte mich, sie war das Grauen an sich, sie war…
    »Vorsicht, John!«
    Suko sah das nüchterner als ich, denn ich hatte beinahe übersehen, daß sich der andere bewegte.
    Er kaum auf mich zu.
    Es war ein Zitterschritt nach vorn, und mit einer zackigen Bewegung hob er seinen rechten Arm an, um damit blitzartig zuzuschlagen. Ich duckte mich zur Seite, und der Schlag verfehlte mich nicht nur, die Hand prallte auch gegen eine Haltestange.
    Nicht ein Laut des Schmerzes drang über die zerrissenen Lippen der Gestalt. Durch die Bewegung war der Fremde näher an mich herangekommen. Ich konnte ihn intensiver riechen und nahm einen Geruch wahr wie noch nie zuvor.
    Er war auch nicht zu beschreiben, denn er setzte sich aus allen möglichen und unmöglichen Zutaten zusammen. Er stank faulig, er roch nach Gewürzen, nach Moder und Alter. Er war einfach widerlich, und er kam mir auch so verdammt fremd vor.
    Wie Gift.
    Ich spürte ihn, denn er blieb nicht ohne Wirkung auf mich. Obwohl ich ihn nicht sah, hatte ich den Eindruck, als wäre es eine Nebelwolke, die mir entgegenquoll. Ich konnte ihr nicht mehr ausweichen und bemerkte, daß meine Knie nachgaben. Wäre nicht die Haltestange in der unmittelbaren Nähe gewesen, an der ich mich festhalten konnte, so wäre ich vor den Füßen des Monstrums zu Boden gesackt.
    Aber die Stange war da und auch Suko.
    Im Gegensatz zu mir handelte er. Ich war in einer Drehbewegung nach unten gerutscht und bekam mit, wie Suko seinen rechten Arm dicht an den Körper brachte und etwas aus dem Gürtel zog. Daß es die Dämonenpeitsche war, erfaßte ich nur am Rande, ebenso die kreisrunde Bewegung, die Suko mit der Peitsche vollführte.
    Etwas klatschte zu Boden.
    Gleichzeitig ging das Monstrum auf mich zu. Der widerliche Gestank verdichtete sich. Es gelang mir einfach nicht mehr, Luft zu holen. Alles war versperrt. Für mich lief die Zeit einfach langsamer ab, als es normal gewesen wäre. Dieses unheimliche Wesen hatte mich voll unter seine Kontrolle bekommen.
    Ich hörte Suko leise fluchen, und dann schlug er zu.
    Die Gestalt vor mir bewegte sich schattenhaft zur Seite. Trotzdem hörte ich das Klatschen.
    Getroffen?
    Nein, der unheimliche Mörder war den drei Peitschenriemen geschickt ausgewichen. Sie hatten sich um eine der Stangen gewickelt, denn durch die Bewegung zurück hatte der andere Distanz zwischen uns und sich gebracht. Suko hatte ihn verfehlt, aber der Unheimliche spürte genau, wie gefährlich ihm die drei Riemen der Dämonenpeitsche werden konnten, denn er zog sich mit einer fließenden Bewegung zurück.
    Suko mußte ihm nach.
    Es war mein Fehler, daß ich mich genau in diesem Augenblick aufrichtete, aber ich mußte einfach in die Höhe kommen und wollte nicht wie ein Häufchen Elend am Boden hocken.
    Ich behinderte Suko. Er prallte schon nach dem ersten Schritt gegen mich, drückte mich zur Seite, und ich fiel nach rechts weg, wo ich auf einem der Sitze landete.
    Suko hatte freie Bahn.
    Der andere aber auch.
    Seine dumpfen Tritte hörte ich, als ich schräg auf dem Sitz lag und mich an einer Armlehne festklammerte. Sie diente mir auch als Stütze, durch die ich mich wieder in die Höhe stemmen konnte.
    Schwankend stand ich, noch immer benebelt von einem Geruch, der für mich so etwas wie Leichengift war.
    Noch ein Geräusch. Ein Knarren und ein dumpfer Schlag. Frischere Luft drang in den Wagen. Der Unheimliche mußte den Zug verlassen haben, und mein Freund Suko war ihm auf
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