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0863 - Die Sirene von Atlantis

0863 - Die Sirene von Atlantis

Titel: 0863 - Die Sirene von Atlantis
Autoren: Jason Dark
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Wolkenbank.
    Das Wasser lag längst nicht mehr so ruhig.
    Wellenköpfe zeichneten sich ab. In dem kleinen Hafen tanzten die Schiffe. Und weiter entfernt, wo sich die Rücken der kargen Berge abzeichneten und das Land den Dämonen gehörte, ballte sich die Finsternis noch stärker zusammen. Da lagen die düsteren Wolken direkt auf den Bergen. Sie schufen das Bild einer großen Katastrophe, wie kurz vor dem großen Aus, über das Karas Vater so oft mit seiner Tochter gesprochen hatte. Er wußte, daß dieser Untergang kommen würde, und daß die Menschen nichts dagegen tun könnten.
    Der erste Blitz, noch über dem Meer, fuhr wie ein zackiger Speer ins Wasser. Er sah aus, als wäre er von der Hand eines Titanen aus den Wolken geschleudert worden. Der Donner folgte. Ein Vorzeichen, mehr noch nicht. Hier hatte sich die Natur geschüttelt. Sie wollte nicht mehr so brav sein, sie wollte es den Menschen zeigen, aber sie hielt sich noch zurück.
    Die fünfzehnjährige Kara war dennoch fasziniert. Ihre Augen funkelten. Es kam ihr vor, als wäre die Luft noch drückender und schwüler geworden.
    Plötzlich hörte sie hastige Schritte. Jemand hetzte die Treppe hoch, und als Kara sich umdrehte, da übersprang eine Gestalt die Grenze vom Flur in den Raum.
    Es war Roya. An ihrem blonden langen Haar war sie sehr gut zu erkennen. Sie war ein Jahr älter als Kara und wurde von vielen Menschen als ihre Schwester angesehen, obgleich sie nur im Haus der Familie lebte, denn ihre Eltern und all ihre Verwandten waren umgebracht worden.
    Karas Vater Delios hatte sie in sein Haus genommen, um ihr für einige Jahre eine Erziehung zu geben.
    Kara wußte nicht, ob sie ihre »Schwester« lieben oder ablehnen sollte. Sie befand sich da in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite kam sie gut mit ihr zurecht, auf der anderen aber gab es zwischen ihnen oft genug Meinungsverschiedenheiten, denn Roya war Kara zu wenig menschlich.
    Sie reagierte zu hart, beinahe gnadenlos und hatte für andere kein Verständnis. Beide Mädchen waren ungefähr gleichgroß und auch gleichermaßen hübsch. Auf der einen Seite die dunkelhaarige Kara mit den fein geschnittenen und weichen, auch noch etwas kindlichen Gesichtszügen, auf der anderen Seite die weißblonde Roya, schon weiter entwickelt als Kara, mit kalten und Männern gegenüber oft provozierenden Augen und einem Mund, der stets ein Lächeln zeigte, aus Berechnung.
    Sie kam auf Kara zu. »Hier finde ich dich.«
    »Ja – warum?«
    »Nur so.«
    Das glaubte ihr Kara nicht. Sie wollte nicht weiter darüber sprechen und sagte: »Ich wollte mir nur das Gewitter anschauen, mehr nicht.«
    »Darf ich zusehen?«
    »Bitte.«
    Roya stellte sich neben Kara. Ihr Körper duftete nach einem feinen Badeöl. Sie trug nicht viel am Lieb. Ein togaähnliches Hemd in Dunkelblau, dessen Saum an den strammen Oberschenkeln endete.
    Vorn war das Hemd weit ausgeschnitten. Wenn sich das Mädchen bückte, konnte jeder, der wollte, sehen, wie gut die Sechzehnjährige bereits entwickelt war. Viele Mädchen in ihrem Alter waren schon verheiratet, aber jeder Mann, der Roya zur Frau nahm, würde es schwer haben.
    »Es ist gleich da!« flüsterte die Blonde und schauderte leicht zusammen. »Ich spüre das Kribbeln überall auf meiner Haut. Es ist ein tolles Gefühl. Hast du es auch?«
    »Nein.«
    »Schade.«
    »Ich warte nur auf das Gewitter.«
    Roya lachte. »Ich auch, meine Liebe, ich auch. Aber es ist für mich etwas Besonderes. Ich habe eine wilde Freude daran. Wenn die Blitze aus dem Himmel nach unten fahren, dann komme ich mir vor, als wäre ich die Person, die sie auffängt. Dann spüre ich, wie die Kraft in mir stärker wird. Ich glaube fast, ich lebe von ihnen.«
    »Das ist wohl bei jedem anders.«
    Roya warf ihrer »Schwester« einen schnellen Blick zu. »Manchmal habe ich das Gefühl, als wolltest du gar nicht erwachsen werden.«
    »Wieso das?«
    »Du bist einfach zu kindhaft. Du darfst nicht vergessen, daß wir in einem besonderen Land leben und auch in einer besonderen Zeit. Hier muß man stark sein, sehr stark, sonst geht man unter. Ich habe schon viel gelernt, das kannst du mir glauben. Ich bin durch dieses Land gewandert, und ich habe die Augen nicht geschlossen, das kann ich dir versichern, Kara. Ich fühle mich nicht nur gut, ich fühle mich auch unwahrscheinlich stark, und ich werde noch stärker.«
    Kara hörte nicht mehr hin. Sie kannte diese und ähnliche Predigten. Sie hatte selbstverständlich bemerkt, daß sich die
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