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0863 - Die schlafende Göttin

Titel: 0863 - Die schlafende Göttin
Autoren: Unbekannt
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nicht den Kontakt mit ihr, den er sich wünschte.
    „Dann lassen Sie sich mal orakeln, daß hier nie ein Industriekomplex unter der Führung meines Vaters entstehen wird", erklärte sie. „Und unter meiner schon gar nicht." Sie blickte ihn spöttisch an. „Ich kann Ihnen nur raten, die Computerberechnungen noch einmal über-prüfen zu lassen. Was Ihr überaus kluges Positronenhirn da ausgetüftelt hat, ist absoluter Unsinn."
    „Also gut", sagte er ärgerlich. „Ich werde es überprüfen lassen. Bis dahin sollten Sie ..."
    Jandra Kays kümmerte sich nicht um ihn, sondern entfernte sich über den staubigen Felspfad. Spärliche Reste von Asphalt ließen erkennen, daß hier vor langer Zeit einmal eine schmale Straße gewesen war. Jandra vermutete, daß Touristen auf ihr zu den alten Tempelanlagen gefahren waren.
    Im Grunde genommen waren ihr die zerfallenen Bauten egal. Doch sie sagte sich, daß es nicht schaden konnte, wenn sie sie sich einmal ansah, da sie nun einmal hier in der Gegend war.
    Host Gordon folgte ihr nicht. Sie war froh darüber. Sie mochte die Art nicht, mit der er versuchte, sich bei ihr einzuschmeicheln.
    Sie kletterte über einige Felsbrocken hinweg, die von den Gipfeln der Berge herabgestürzt waren und nun den Weg versperrten. Dann betrat sie die Marmorblöcke der Tempelanlage, die teilweise restauriert worden war. Für sie war es nicht überraschend, daß die ausgebesserten Teile die schweren Erschütterungen am besten überstanden hatten, de-nen die Erde bei ihrer Rückkehr ins heimatliche Sonnensystem unterworfen gewesen war.
    Ein wenig ratlos betrachtete sie die noch erhaltenen Bauten. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es hier ausgesehen hatte, als jene längst vergangenen Griechen sich Rat im Orakel geholt hatten.
    Sie sah sich um und stellte fest, daß Host Gordon noch immer dort stand, wo sie mit ihm gesprochen hatte. Er konnte sie nicht hören.
    „Ihr Götter von Delphi!" rief sie übermütig. „Habt ihr nicht auch einen Rat für mich?
    Hört ihr mich? Man will uns dieses Land andrehen, mit dem wir nichts anfangen können.
    Was sagt ihr dazu?"
    Sie stieß einen Stein mit dem Fuß über eine Felskante und bückte ihm nach, wie er durch den rötlichen Staub rollte. Eine Eidechse flüchtete vor ihm unter ein Grasbüschel.
    „Warum schweigt ihr denn, ihr Götter von Delphi? Ich bin nicht auf der Erde geboren, sondern auf Trao. Habt ihr schon mal was von Trao gehört? Das ist ziemlich weit weg von hier. Daher weiß ich nichts von euch."
    Der Boden unter ihren Füßen erzitterte. Jandra war, als ob sie ein leises Raunen hörte. Bestürzt blieb sie stehen, und ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken.
    Deutlich spürte sie, daß etwas nach ihr griff. Es war fremd und fern, unwirklich und nicht faßbar, und doch war es da. Aus einem Spalt im felsigen Boden kräuselte feiner Rauch. Jandra erwartete, daß der Wind ihn vertreiben würde, doch das war nicht der Fall. Es schien, als sei der Rauch von eigenständigem Leben erfüllt.
    Das Mädchen wollte zurücktreten, weil es sich instinktiv davor fürchtete, mit dem Rauch in Berührung zu kommen. Es gelang ihr nicht. Lahmte etwas ihre Beine? Oder fesselte etwas ihre Füße an den Boden, so daß sie sie nicht heben konnte?
    Sie konnte es nicht unterscheiden.
    Panik kam in ihr auf. Sie blickte sich hilfesuchend um, doch da war niemand, der ihr zur Hilfe hätte kommen können. Host Gordon war verschwunden. Sie war allein in der Tem-pelanlage. Steil stiegen die mit grünem Krüppelholz bewachsenen Hänge zu ihren Seiten auf. Hoch über ihr kreiste ein Adler.
    Jandra Kays glaubte, eine Stimme zu hören.
    Sie drehte sich hin und her, soweit sie konnte, ohne die Füße vom Boden zu lösen, doch sie sah niemanden. Das Wispern blieb.
    Jandra ließ sich sinken, bis ihre Knie den Felsen berührten. Der Rauch, der aus dem Felsspalt stieg, kräuselte sich um ihre Stirn.
    Jetzt wurde die Stimme lauter. Sie schien direkt aus den Felsen zu kommen. Jandra neigte den Kopf noch weiter, bis sie glaubte, die Worte verstehen zu können.
    „Wenn der Schrein sich öffnet", raunte es, „beginnt der Fall eines Mächtigen."
    Sie richtete sich ruckartig auf. Plötzlich fühlte sie sich frei. Leichtfüßig eilte sie über die Felsen bis hin zu den Säulenresten des Tholos. Hier blieb sie stehen und blickte zu den Ruinen des Haupttempels zurück, in denen sie glaubte, jene Worte gehört zu haben.
    Sie war grenzenlos verwirrt. Sie fühlte sich in eine unwirkliche
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