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0855 - Spektrum des Geistes

Titel: 0855 - Spektrum des Geistes
Autoren: Unbekannt
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meine Freunde. Du brauchst vor ihnen keine Angst zu haben." Er drehte den Kopf und rief den Namen des Wesens.
    Virna verkrallte sich in Harzel-Kolds Gewand, als der Gerufene auftauchte. Es war ein Zwerg von etwa 1,30 Meter Größe, durchaus humanoid, aber ungewöhnlich proportioniert.
    Der Kopf beanspruchte ein Drittel der gesamten Körpergröße, war völlig kahl und hatte ein derbes Gesicht. Die lehmfarbene, je nach Lichteinfall jedoch auch bronzen wirkende Haut erinnerte an gegerbtes Leder. Die Augen lagen tief in den Höhlen, an Stelle der Au-genbrauen befanden sich faltige Hautwülste, von Sehnen- und Muskelbündeln umgeben. Virna stellte fest, daß diese Hautwülste nichts anderes als Lider waren, mit denen die Zwotter die Augenhöhlen abdichten konnten.
    Der Körper wirkte im Vergleich zum Kopf geradezu grazil, Arme und Beine waren relativ kurz, jedoch ebenfalls feingliedrig. Die Füße schienen etwas zu groß geraten, was jedoch nicht weiter verwundern durfte, wenn man bedachte, daß der Schwerpunkt der gnomen-haften Gestalt wegen des überdimensionalen Kopfes viel zu hoch lag.
    „Du hast Virna durch deinen Anblick erschreckt", sagte Harzel-Kold tadelnd. „Es wäre nur recht, daß du dich bei ihr entschuldigst."
    Der Zwotter spitzte seinen breiten Mund und sang mit melodiöser Stimme: „Was leid, was leid, Madame."
    „Nicht doch", wehrte Virna ab, sie mußte unwillkürlich lächeln. Der Zwotter hatte längst alle Schrecken für sie verloren, sie fand ihn jetzt, bei der direkten Konfrontation und unvoreingenommen betrachtet, geradezu liebenswert. „Es liegt an mir, ich habe mich albern benommen."
    „Blinizzer tröstlich, über sehr tröstlich Blinizzer", sang der Zwotter tremolierend und zog sich rückwärtsgehend zurück.
    „Ich habe versucht, den Zwottern die vincranische Sprache und das Interkosmo beizubringen", erklärte Harzel-Kold. „Sie sind wahre Genies, was das Verstehen fremder Spra-chen betrifft, aber artikulieren können sie sich darin nicht. Das liegt daran, daß es bei ihrer Sprache nicht auf den Ausdruck, das Wort, ankommt, sondern auf die Betonung. Die Zwottersprache unterliegt in der Hauptsache Klangregeln. Deswegen ist es uns unmög-lich, ihre Sprache zu erlernen. Komm, Virna, ich möchte dir meine Welt zeigen. Nach dem morgendlichen Hagel ist Zwottertracht am schönsten."
     
    *
     
    Die Luft im Freien war rein und würziger als auf Gäa, in der einen Richtung reichte der Blick bis zum Horizont, nach den anderen Seiten wurde er von riesigen Kakteengewächsen und von dem wuchtigen Gebäude verdeckt.
    Die ursprünglich faustgroßen Hagelkörner schmolzen schnell, das Wasser versickerte im sandigen Boden. Nur auf den Stachelspitzen der Riesenkakteen hielten sich die Was-sertropfen länger. Und sie glitzerten auch auf dem moosigen Gras, das rund um das Ge-bäude den Boden bedeckte.
    Ein paar Zwotter tauchten auf, winkten ihnen zu, sangen ihnen einen Gruß und verschwanden hinter den Stämmen der Kakteen. Virna ließ ihre Blicke wieder durch die brei-te Schneise im Kakteenwald zum Horizont wandern und mußte feststellen, daß ihre Sicht längst nicht mehr so weit reichte, wie vor einigen Minuten.
    Der Wind wirbelte goldene Staubfontänen hoch, die als flimmernde Schleier in den Himmel hinaufstiegen und rasch näher kamen.
    „Bald wird das Land wieder hinter Staubwolken versteckt sein", sagte Harzel-Kold.
    „Die Sicht reicht nur wenige Minuten lang so weit wie vorhin."
    Er setzte sich in Bewegung, und sie folgte ihm. Das Moos schluckte das Geräusch ihrer Schritte.
    „Die Oase, in der ich mich niedergelassen habe, ist verhältnismäßig klein", erzählte der Vincraner weiter. „Aber ich habe diese ausgesucht, weil das Wasser von besonderer Qua-lität ist und weil sie in der Nähe von bedeutenden Kulturzeugnissen der Urbevölkerung liegt. Außerdem ist hier das Wetter relativ beständig. Innerhalb der Oase kann man sich am Tage fast jederzeit frei bewegen. Nur wenn die Sturmsirene ertönt, dann sollte man sich ins Haus zurückziehen. Merk dir das, Virna."
    Sie hatten die ersten Kakteen erreicht. Ein betörender Duft ging von ihnen aus, und als Virna die Luft tief einsog, war sie für einen Moment wie berauscht.
    Sie drehte sich um und blickte zu dem Gebäude zurück. Es war langgestreckt und nied-rig, mit trutzig wirkenden, leicht schrägen Mauern. Das Material, aus dem die Wände wa-ren, glitzerte wie der goldene Wüstensand, hatte jedoch einen leicht rötlichen Farbton. Vor allen
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