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0855 - Geisel der Finsternis

0855 - Geisel der Finsternis

Titel: 0855 - Geisel der Finsternis
Autoren: Volker Krämer
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zu reißen. Dass es zurzeit scheinbar niemanden gab, der in dieser Hinsicht Ambitionen hegte, war wohl eher Zufall.
    Iriga wurde das Gefühl nicht los, dass Stygia an diesem Status etwas zu ändern gedachte. Niemand konnte ahnen, welche Gedanken sie hegte - vielleicht war es ja so, dass sie sich selbst noch lange nicht auf der obersten Sprosse ihrer Karriereleiter in den Schwefelklüften sah? Iriga traute der Fürstin vieles zu…
    Eine Sache beherrschte Stygia allerdings in großer Perfektion: Sie war eine Meisterin in Sachen Auftritt. An der Spitze des Trosses, mit dem sich Stygia umgab, schiitten zwölf Amazonen, die für die persönliche Sicherheit der Fürstin zuständig waren. Iriga registrierte den Stolz in den Gesichtern ihrer Kriegerinnen sehr wohl, als sie an ihr vorüberschritten.
    Was dann folgte, konnte man getrost als Hofschranzen bezeichnen - niedere Dämonen, Spukerscheinungen, die über der makaberen Karawane schwebten, Irrwische, eine Handvoll Kobolde… einige Skelette, die ständig klappernd gegen ihre Nachbarn stießen… am Schluss dann weitere zwölf Kriegerinnen.
    Es mochte durchaus sein, dass Stygia mit diesem Höllengezücht bei anderen Gelegenheiten Eindruck schinden konnte, doch bei der Amazone gelang ihr das nicht.
    Die Mitte der Horde bildete ein Gefährt, wie Iriga es seltsamer noch nie zuvor gesehen hatte. Eine überdimensional proportionierte Sänfte, bezogen mit Fell, das in den schrillsten Farben leuchtete. Die Form der Sänfte war eine Muschel, die auf zwei Längsstangen ruhte. Als Iriga die Wesen erblickte, die als Träger fungierten, zuckten ihre Augenbrauen verblüfft in die Höhe.
    Sechs Kreaturen trugen die Sänfte - unter jeder der Stangen drei von ihnen. Zumindest vermutete Iriga, dass es sich um lebende Wesen handelte. Von der Form her an Riesenquallen erinnernd, wiesen sie weder Mund, Nase noch Augen auf. Ähnliches hatte die Amazone zuvor jedenfalls nicht gesehen, und sie war dann auch nicht mehr weiter verwundert, als sie erkannte, dass diese Quallen auch keine Füße besaßen - wozu auch? Sie schwebten ja gut zwei Fuß über dem Boden.
    Die Muschel selbst war üppig mit seidenen Kissen ausgelegt, auf denen sich Stygia lasziv räkelte. Bekleidet war sie mit… Nun, Iriga fand, dass die Fürstin eher nackt war, denn was sie am Leib trug, konnte man nun wirklich nicht als Kleidung im eigentlichen Sinne bezeichnen. Für eine Kriegerin wie Iriga konnte dieser Anblick nur der reine Hohn sein, denn eine Amazone würde nie ohne Körperpanzerung auftreten.
    Stygia schien das ganz anders zu sehen. Iriga glaubte sich schwach daran zu erinnern, dass in der Menschenwelt manche Frauen das, was Stygia da übergestreift hatte, während der Nachtruhe zu tragen pflegten - ein durchsichtiges Etwas , nichts verhüllend, alles versprechend…
    Stygia hatte ihr Kommen offiziell als Antrittsbesuch bei der neuen Führerin der Amazonen deklariert. Iriga war sicher, dass etwas anderes dahintersteckte. Sie musste vorsichtig sein, denn ihre Position war hier längst nicht so gefestigt, wie es bei Neffia der Fall gewesen war. Vielleicht hätte die Fürstin lieber eine andere Nachfolgerin gesehen? Iriga nahm sich vor, jedes ihrer eigenen Worte auf die Goldwaage zu legen.
    Eine leichte Verbeugung war die einzige Ehrenbezeugung, die sie für Stygia übrig hatte. Die Fürstin lächelte süffisant, bequemte sich nur langsam, die Muschelsänfte zu verlassen.
    »Ich grüße dich, Fürstin der Finsternis. Es ist uns eine Ehre…«
    Stygia winkte lässig ab. »Ja, ja… schon gut. Was sollst du auch anderes sagen, nicht wahr? Lassen wir diese Floskeln. Für solche Dinge fehlt mir die Zeit. Wo können wir uns ungestört unterhalten?«
    Iriga war verblüfft, denn Stygia schien an den üblichen Spielchen nicht interessiert zu sein. Die Amazone riss sich zusammen. Es schien, als habe die Fürstin ein besonderes Anliegen. Das konnte Iriga eventuell zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.
    »Bitte folge mir.« Das Holzhaus der Amazonenf ührerin war zwar das größte in der ganzen Ansiedlung, doch es war außen wie innen geprägt von Schlichtheit. So hatte es Bronna - Neffias Mutter - gehalten, so hatte es auch ihre Tochter fortgeführt. Iriga wagte es nicht, irgendetwas daran zu ändern. Sie wusste nur zu genau, wie die Kriegerinnen untereinander von ihr sprachen. Es war noch ein langer Weg, bis sie Neffias Ansehen erreicht hatte. Wenn dieser Tag überhaupt je kommen würde.
    Stygia sah sich lächelnd um, setzte sich
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