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0840 - Siegel der Rache

0840 - Siegel der Rache

Titel: 0840 - Siegel der Rache
Autoren: Volker Krämer
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nachdenkliches Gesicht, als er von seiner Arbeit hoch schaute. »Glauben Sie ihr, Chef? Ihr Motiv ist groß wie ein Felsmassiv. Ich könnte sie sogar verstehen.«
    Vendell wusste nicht viel über Zamorra, Nicole und den Dingen, die sie zu ihrer Lebensaufgabe gemacht hatten. Das wenige, was er jedoch mitbekommen hatte, ließ ihn seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen.
    »Kratzen Sie lieber den Dreck aus dem Teppich und von den Wänden, Jerome. Den Rest lassen Sie meine Sorge sein.« Robin stapfte aus dem Zimmer und ließ einen köpf schüttelnden Spurensicherer zurück.
    Der hatte heute zum Frühstück wohl Miesmuscheln geschlürft. Aber wenn Robin schlecht drauf war, dann hielt man sich mit eigenen Kommentaren eben besser zurück.
    Bei nächster Gelegenheit wollte Vendell rechtzeitig daran denken - er war nicht scharf auf Abfuhren wie diese…
    ***
    Carl Serou betrat den Raum mit der gebotenen Vorsicht.
    Mit seinen 38 Jahren verfügte er über viel Berufserfahrung, und die musste er auch anwenden, wenn er mit den drei anderen zusammen war. Sie erkannten ihn als eine Art Leitwolf an, als Alphamann, der ihre Einsätze leitete. Doch sie alle wussten nur zu genau, dass Carl nicht der Chef war.
    Drei Augenpaare leuchteten ihm aus dem Halbdunkel entgegen, argwöhnisch, zu allem bereit. Jeder, der sich hierher verirrt hätte, wäre in der nächsten Sekunde nicht mehr am Leben gewesen. Das stand außer Frage, denn für diese Männer zählte ein fremdes Leben nicht mehr als der Schmutz unter ihren Fingernägeln. Wenn es auch wie ein überholtes Klischee aus uralten Gangsterfilmen klang: Sie hatten außer ihrer Freiheit absolut nichts zu verlieren. Eine Freiheit, die jedoch äußerst fragwürdig war, weil sie sich ganz bestimmten temporären Regeln zu unterwerfen hatte.
    Die so genannte Gesellschaft wollte sie nicht, hatte sie weggesperrt, eingepfercht… ihnen jeden Spielraum genommen, ihre persönlichen Neigungen auszuleben.
    Neigungen… Carl wusste nur zu gut, was die drei darunter verstanden. Hass, Gewalt, Töten; ob ihre Opfer erwachsen waren oder Kinder, das war ihnen gleich. Zwei von ihnen prahlten gerne mit den Vergewaltigungen, die sie begangen hatten… Beim dritten im Bunde war sich Serou nicht sicher, ob er überhaupt über eine eigene Art von Sexualität verfügte. Wenn Carl ehrlich zu sich war, dann wollte er es besser auch erst gar nicht wissen.
    Sie waren Abschaum, unwürdig zu existieren! Doch Carl stellte seine Überzeugung hintan, denn er brauchte die drei ja noch. Er freute sich schon auf den Moment, in dem dies nicht mehr so sein würde. Oh ja, der Tag war vielleicht gar nicht mehr so weit entfernt.
    Doch um ihm näher zu kommen, musste endlich das ganz große Ding in Angriff genommen werden.
    Mischa und Poul sahen Serou provozierend entgegen, doch sie schwiegen. Große Redner waren sie alle nicht, besonders Rat blieb meist stumm. Stumm schon, aber nicht still. Er gab ein ständiges Grunzen und Fipsen von sich. Ob er es mit dem Mund oder durch seine verunstaltete Nase erzeugte, konnte Carl nur raten.
    Manchmal hatte er sich schon gefragt, ob Rat von Geburt an so entstellt, war. Die Nase des jungen Mannes machte den Eindruck, als sei sie unzählige Male gebrochen worden; die Stirn war zerfurcht - oder waren es Narben? Carl wusste, dass er Rat danach sicher niemals fragen würde. Die Reaktion wäre schiere Gewalt gewesen.
    Am ganzen Körper hatte Rat kein einziges Haar. Er wirkte schmächtig, doch in ihm steckte eine ungeheure Kraft und Geschicklichkeit, die ihn zum perfekten Kletterer machte. Und zum Kriecher - Rat fühlte sich im Schlamm der Kanalisation eben so wohl, wie an der senkrecht in die Wolken schießenden Wand eines Hochhauses.
    Geistig war er auf dem Stand eines vierzehnjährigen Kindes… eines Pubertierenden, der brutal und kalt mordete, um an seine Ziele zu gelangen. Moralvorstellungen existierten in Rat nicht; falls es sie je gegeben haben sollte, so waren sie verdorrt…
    Mischa und Poul waren keinen Deut besser. Doch sie fielen in der normalen Welt nicht auf - Rat hingegen war ein Freak, der überall auf Abscheu und Ekel stieß. Carl sah verächtlich auf all die Verbrecher herab, die sich mit ihrer schlechten Jugend und der ach so bösen Gesellschaft vor Gericht herausreden wollten, doch bei Rat war die Lage anders. Für ihn hatte es definitiv nur einen Weg gegeben, und den war er überaus konsequent gegangen. Ein blutiger Weg, den viele, die ihm darauf begegnet waren, nicht überlebt
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