Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0836 - Vision der Vollendung

Titel: 0836 - Vision der Vollendung
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
kamen, machten sie halt.
    Jost hielt sich nicht lange mit Beobachtungen auf. Aus den Gedanken der Pfahlbaubewohner erfuhr er, daß sie bereits von den Unbesiegbaren gehört hatten.
    „Manchmal verstehe ich uns nicht", sagte Jost wie zu sich selbst. „Sind wir schon so überheblich geworden, daß wir fremdes Leben überhaupt nicht mehr achten?"
    „Kein Konzept hat je gegen die Skorpione Gewalt angewendet", sagte Zijlna.
    „Manchmal tötet auch Passivität", erwiderte Jost. „Ich weiß, daß es besser ist, sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Fremdvölkern einzumischen.
    Aber in diesem Fall haben wir das Massensterben ausgelöst. Auch wenn wir unsere Waffen nicht gegen die Skorpione erheben, töten wir sie durch unsere Passivität."
    Ich hoffe, daß alle Konzepte mich hören können, dachte er intensiv und fügte in derselben Stärke seine Überlegungen hinzu: Die Skorpione sind ein kriegerisches Volk. Auf ihrer Welt haben sie keine Feinde zu fürchten, sie sind durch ihren natürlichen Panzer, durch ihren Giftstachel und ihre Intelligenz allen anderen überlegen.
    Sie können es deshalb nicht verwinden, daß sie plötzlich gegen Wesen, die schwächlicher scheinen als sie, nicht siegen können.
    Sie können einfach nicht verlieren, deshalb scheiden sie lieber freiwillig aus dem Leben. Das scheint ihr Ehrenkodex zu verlangen.
    Es liegt also an uns, diesem Volk eine Überlebenschance zu bieten. Stellen wir uns als Verlierer hin.
    Oder haben wir etwa denselben Ehrenkodex wie die Skorpione?
    Jost begab sich ans Flußufer. Er nahm dort Aufstellung und gebärdete sich wie verrückt. Nicht lange, und die Skorpione wurden auf ihn aufmerksam. Sie stürzten sich zu Dutzenden vom Pfahldorf ins Wasser und kamen ans Ufer.
    Jost bot ihnen einen heldenhaften Kampf. Doch schließlich wurde er von einem Giftstachel getroffen.
    Er ließ das Gift soweit wirken, daß sein Körper erstarrte, und produzierte nur soviel Serum, daß die wichtigsten Körperfunktionen aufrechterhalten wurden.
    Kaum hatten die Skorpione den für unüberwindbar gehaltenen Gegner zur Strecke gebracht, als sie nacheinander ihre Giftstachel in seinen Körper bohrten und ihn dann im Triumphzug ins Pfahldorf brachten.
    Jost spielte die Leiche solange, bis er erkannte, daß es brenzlig wurde: Die Skorpione wollten ihn für das Hauptgericht bei ihrer Siegesfeier verwenden.
    Jost kehrte nach EDEN II zurück. Inzwischen hatte es sich aber unter den Skorpionen herumgesprochen, daß auch die Fremden nicht unbesiegbar waren. Das wurde ihnen bei weiteren Zwischenfällen bestätigt.
    Die anderen Konzepte folgten Josts Beispiel und ließen sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit „töten".
    Danach wurde unter den Skorpionen kein Fall von Selbstmord mehr bekannt.
    Jost lud Zijlna zu sich auf seine Burg ein. Als sie dort ankamen, erwartete sie ein wütender Exl.
    „Du hast mich 'reingelegt, Jost!" empörte er sich. „Das ist keine Muciererburg, sondern eine lächerliche Attrappe. Du bist mir noch ein Abenteuer schuldig. Darf ich mir ein Spiel aussuchen?"
    „Wir werden noch viele Abenteuer miteinander erleben, Exl", versprach Jost lachend.
    „Jost", sagte Zijlna ernst. „Willst du nicht endlich erwachsen werden? Du hast auf Scorpio gezeigt, daß du weise und klug bist. Wie lange willst du dich noch hinter deinem Kinderkörper verschanzen?"
    Jost zuckte die Schultern.
    „Keine Ahnung, Zijlna. Ich weiß nur eines, und das ist auch schon wieder weise: Nur wenn wir Konzepte spielend lernen, lernen wir spielend leicht. Im Grunde genommen sind wir doch noch alle Kinder, oder nicht? Eine im Werden begriffene Superintelligenz. Das Kind von ES."
    Zijlna verdrehte die Augen und verschwand.
    „Was ist nun, Jost", meldete sich Exl ungehalten, „bekomme ich das versprochene Abenteuer oder nicht?"
    Aber ja, dachte Jost, wir werden noch viele Abenteuer erleben.
    Das war sein letzter Traumgedanke.
    Plötzlich löste sich EDEN II in Nichts auf, und er, das nackte, zusammengerollte Bewußtsein, war wieder in der Bewußtseinsballung von ES.
    Der Status quo ante - der Zustand vor dem Traum vom Paradies - war wieder hergestellt.
    Und für Jost Seidel wurde alles nur noch unerträglicher.
     
    *
     
    ES hatte ihnen den Traum vom Paradies gegeben - und dann wieder genommen. ES hatte die sechs Bewußtseine des rebellischen Konzepts Kershyll Vanne in Euphorie und überschwengliche Begeisterung gestürzt, nur um dieses Empfinden wieder brutal zu zerstören und sie in die Realität
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher