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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse
Autoren: Edgar Wallace
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saßen zusammen in der Kabine des Lastkahns und holten mich zum Essen aus meinem Verschlag. Weil sie mich für verrückt hielten, achteten sie nicht auf mich. Der Captain verhöhnte mich. Das hat Oaks nie getan. In dieser Nacht sah er mich an wie ein Metzger, der eine Schafherde mustert und sich überlegt, welches Tier er schlachten soll.«
    »Nicht, bitte nicht!« rief Lila schaudernd. Anna legte den Arm um sie. »Ich muß wohl noch immer ein bißchen verrückt sein, daß ich dir solche Angst einjagen kann, mein Herz. Sehen wir jetzt mal zu, daß wir noch die letzten Tapetenreste abreißen können.« »Er kann nicht zurückkommen, ich habe die Tür von innen verriegelt«, sagte Lila.
    Sie hatte hinter einem Stückchen abgerissener Tapete ein bedrucktes Papier entdeckt — den kleinen Ausschnitt einer Bekanntmachung, die früher laut Regierungsverordnung in jedem Stockwerk des Gebäudes zum Schutz der Arbeiter ausgehängt werden mußte. Als sie Anna auf das kleine Stückchen Papier aufmerksam machte, von dem sie nicht wußte, was es war, hatte sie keine Ahnung, daß es sich bei dem Gebäude um eine ehemalige Munitionsfabrik handelte. Weil sie fürchteten, gestört zu werden, hatten sie die Tapete bis jetzt noch nicht heruntergerissen. Jetzt weichten sie sie mit einem Taschentuch ein, bis sie klatschnaß war, und lösten sie dann ganz vorsichtig ab, bis der Text darunter vollständig zutage trat.
    »Bei Ausbruch eines Feuers versammelt sich die Löschmannschaft in der Nähe der Hydranten. Alle anderen Angestellten begeben sich ruhig und geordnet ein Stockwerk tiefer. Falls es in dem Stockwerk darunter oder im Erdgeschoß brennt, wird die Feuerleiter herausgezogen, wobei sich die darüberliegende Falltür automatisch öffnet. Begeben Sie sich an jenes Ende des Daches, von dem der Wind weht, und werfen Sie die Strickleitern aus, die in den am Schutzgeländer befestigten Kästen untergebracht sind. Bewahren Sie Ruhe. Die größte Gefahr bei einem Brand ist Panik.« »Falltür unter dem Dach?« fragte Lila und schaute zur Zimmerdecke hinauf, deren Verputz jedoch nicht den geringsten Sprung aufwies. »Vielleicht im Bad«, sagte sie. Anna holte einen Stuhl, trug ihn ins Bad und kletterte darauf. Zaghaft betastete sie die Decke, drückte dann fest dagegen, und die Decke wölbte sich nach oben. Risse erschienen im Verputz, und Kalk rieselte herunter. »Dahinter ist sie«, flüsterte sie. Und dann hörte sie ein leises Klopfen an der Wohnungstür. Der Boden des Badezimmers war mit weißen Mörtelbrocken bedeckt. Oaks brauchte nur einen Blick auf die Decke zu werfen und die gedruckte Bekanntmachung zu entdecken, um zu wissen, was los war. »Schließ die Tür ab, und komm ja nicht heraus«, sagte Anna zu Lila. Sie wartete, bis Lila sich eingeschlossen hatte, und ging dann öffnen. »Was treibt ihr denn?« Er sah sie mißtrauisch an. »Wo ist Lila?« »Ich habe Handtücher gesucht, Lila badet«, sagte Anna, und die Antwort schien ihn zufriedenzustellen. »Sie badet, so, so?« sagte er. »Nun, das ist ganz gut, weil ich mich mit dir unter vier Augen unterhalten möchte.« Er warf einen Blick auf die Badezimmertür. »Sie kommt doch noch nicht heraus, oder?« »Noch nicht.« Oaks nickte. »Ich nehme an, du warst noch nie in Südamerika«, sagte er. »Nein«, antwortete Anna. »Ein herrliches Land — ich war einmal dort. Blumen, warme Winter, man braucht nichts anderes zu tun, als zu leben. Viel Geld, Bücher, Autos, das beste Essen — wie würde dir das gefallen?« »Es klingt wunderbar«, sagte sie leise. »Das alles kannst du haben.« Er zeigte mit dem Finger auf sie. »Wenn du brav bist. Mach mir keine Schwierigkeiten, und hilf mir bei ihr« — er ließ den Daumen zur Badezimmertür herumschnellen —, »mach keine Szenen mehr, dann bekommst du es. Kapiert? Aber angenommen, du bist nicht vernünftig, fängst an, Terror zu machen, erzählst ihr dies oder jenes über mich — was, glaubst du, geschieht dann mit dir?« Sie antwortete nicht. »Du weißt es - ich wette, daß du's weißt. Sie werden dich aus dem Fluß fischen, und die Leute werden sagen: ›Wer ist das? — Ach, niemand, irgendeine Frau.‹ Nichts wird über dich in der Zeitung stehen. Du wirst eine unbekannte Tote‹ sein, und es ist mit dir zu Ende.« »Und es ist mit mir zu Ende«, wiederholte sie langsam. »Ich glaube, ich brauche einer intelligenten Frau nicht mehr zu sagen«, fuhr Oaks fort und klopfte ihr väterlich auf die Schulter. »Wir verstehen
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