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083 - Das Ende der Unschuld

083 - Das Ende der Unschuld

Titel: 083 - Das Ende der Unschuld
Autoren: Jo Zybell
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Bulba’han wandte sich zu ihm um: Der Fischfänger blickte über auf den See zu den nahen Klippen auf der anderen Buchtseite. Alle blickten sie dorthin, sogar die Schwertkrieger.
    Der Älteste der Seher half Bulba’han in seinen schwarzen Kapuzenmantel. »Zeit zu gehen«, sagte er. »Du gebietest, die Macht im See will es so.«
    »Alle auf die Schiffe!«, rief Bulba’han während er den Mantel schloss. Er spürte seine Schürfwunden nicht, er spürte nicht die Brandwunden und Platzwunden in seinem verrußten Gesicht. Nur das Bild spürte er, es brannte in seiner Brust: ein weißes, hässliches Gesicht mit blaugrünen Augen. Gelbes Haar hing in seine Stirn.
    »Auf die Schiffe!«, brüllte Mur’gash. »Habt ihr gehört? An die Ruder!« Er klopfte sich den Sand aus den Schuppen und packte seinen Rostprügel. »Er nennt sich Mefju’drex! Er ist ein Feind der neuen Schöpfung!«
    »Ich weiß, mein Freund«, sagte Taqua’floydan.
    »Ich weiß, Bruder«, sagte Bulba’han. »Wir werden ihn töten. Ihn und seine Bande.«
    Seite an Seite rannten die drei unterschiedlichen Kreaturen zu den Schiffen. Kein einziges der ehernen Gesetze der Woiin’metcha kam Bulba’han mehr in den Sinn. Es war, als hätte er sie nie auswendig gelernt. Und hätte ihn jemand nach einer Frau namens Tata’ya gefragt, er hätte verwundert mit den Schultern gezuckt…
    ***
    Schräg unter ihm zerriss Fleisch und splitterten Knochen.
    Schräg unter ihm jammerte und weinte es. Birgel’wost aber kletterte aus der Dunkelheit dem Lichtfleck am Ende des Kamins entgegen. Er schob sich an der Stelle vorbei, an der die Macht ihn nach Sonnenaufgang zurück in die Grotte gezwungen hatte. Nichts geschah diesmal, unbehelligt kletterte er in das obere Drittel des Schachtes hinein.
    Birgel’wost hätte schreien mögen vor Freude.
    Er dachte an seinen Hund. Er dachte an seine Frauen und Kinder und Schiffe und an alles, was sein kostbares Leben ausmachte - bis oben vor dem Einstieg ein Blitz zuckte. Sein Licht flutete einen Atemzug lang den Schacht, und Birgel’wost schloss geblendet die Augen. Er hörte Schritte und Schreie über sich.
    Kurz darauf wusste er kaum noch, dass er je einen Hund, Frauen, Kinder, Schiffe und Bergwerke sein eigen genannt hatte. Eine Dumpfheit, die ihm wie selbstverständlich vorkam, füllte seine Brust und seinen Kopf aus. Handbreite um Handbreite schob er sich nach oben. Das Tier? Nicht seinetwegen hatte er die Grotte verlassen. War es denn gefährlich, das Tier?
    Sinnlose Frage. Gefährlich war vor allem er. Er, dessen Bild sich überdeutlich in seinem Hirn ausbreitete: ein großer, ekelhaft aussehender Kerl, blond, von heller Hautfarbe.
    Mefju’drex hieß er.
    Birgel’wost scheuerte sich Knie, Schultern und Stirn wund und merkte es nicht. Ein einziger Wusch beseelte ihn: sein Leben für die Macht im See zu opfern.
    Als er sich aus dem Einstieg stemmte, hörte er Geflüster von unten aus der Grotte. »Wir kommen, Birgel’wost. Warte, bis wir bei dir sind, wir kommen.«
    Der verwachsene Zwerg drückte sich in das schroffe Gestein der Seitenhöhle, schob sich Stück für Stück an den Durchgang zur Haupthöhle heran. So weit, bis er sie sah.
    Sie waren zu viert. Ein Weib war dabei, und einer sah aus wie ein zweibeiniger Fisch. Sie schienen aufgeregt und balancierten über den glitschigen Höhlenboden dorthin, wo das letzte Tageslicht in die Höhle sickerte. Und natürlich sah er ihn, wie erwartet: den Blonden, den Feind der Macht. Sterben sollte er, schnell.
    Nacheinander kletterten sie hinter Birgel’wost aus dem Schacht: Woiin’metcha, Mastr’ducha, Rriba’low und seine Narod’kratow; Sklaven und Mitarbeiter. Birgel’wost fand es ganz selbstverständlich, dass sie aus der Grotte herauf gekommen waren. Kein Gedanke mehr an die Sperre, an das Tier. Was für ein Tier überhaupt?
    »Seht ihr sie?«, flüsterte er und deutete auf die Feinde der Neuen Schöpfung. »Der Gelbhaarige ist ihr Führer. Er nennt sich Mefju’drex. Die Macht im See will ihn tot.«
    »Wir wissen es, Birgel’wost, unser Gebieter, wir wissen es…«
    ***
    Sie rannten dem Höhlenausgang entgegen. Panik trieb sie, das Entsetzen hielt sie im Würgegriff.
    »Halt!« Quart’ol war es, der seine Fassung als erster wiederfand. »Halt! Wartet!« Er hob seine Flossenarme. »Wir können nicht gehen, ohne zu tun, was getan werden muss!« Matt blickte zurück. Die Fleischdecke hatte sich wieder vollständig über die Eier ausgebreitet. Dichte Dampfschwaden
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