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0797 - Tränenjäger

0797 - Tränenjäger

Titel: 0797 - Tränenjäger
Autoren: Volker Krämer
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er sich am Flughafen besorgt hatte.
    Drei Viertel des Landes voller Bäume! Wenn es nicht um Khira gegangen wäre…
    Das Navigationsgerät, das in van Zants Handy integriert war, zeigte ihm viele, viele Bäume später genau das an, was er nicht sehen wollte.
    Kein Eintrag vorhanden. Weiterfahrt nicht empfehlenswert, da keine Daten zur Verfügung gestellt werden können. Bitte wenden Sie das Fahrzeug. So genau hatte er es nicht wissen wollen -und auch ohne diese klugen Sprüche war ihm klar geworden, dass für den klapprigen Toyota hier Endstation war. Ganz einfach deshalb, weil hier die Straße endete.
    Eine Luftaufnahme wäre jetzt hilfreich gewesen, doch nach seinen Berechnungen lag sein Ziel gut sechs Kilometer in nordöstlicher Richtung. Mitten durch den glücklicherweise hier nicht besonders dichten Baumbestand hindurch.
    In Khiras Wohnung hatte er schon kurz davor gestanden, seine Suche abzubrechen. Kein Hinweis auf ihre Kindheit war dort auffindbar gewesen. War ihr wirklich nichts davon geblieben?
    Oder steckte Absicht dahinter? Vielleicht wollte sie alles vergessen.
    Artimus tippte auf die zweite Variante.
    Er war schon im Begriff gewesen, die Räume wieder zu verlassen, als sein Blick direkt neben die Wohnungstür fiel. Das Foto war oval gerahmt. Nur ein schlichter schwarzer Holzrahmen, nichts Besonderes.
    Bei genauerer Betrachtung korrigierte Artimus seinen ersten Eindruck: das war kein Foto, sondern eine Kohlezeichnung, die das ausgezehrte Gesicht eines noch relativ jungen Mannes zeigte. Seine Stirn war hoch und schien in Sorgenfalten gelegt; sein Mund war nur ein dünner, kaum angedeuteter Strich. Die schwarzen Haare fielen lang über seine Schultern. Die Zeichnung war ganz sicher nicht von Meisterhand gefertigt, doch sie fiel sehr realistisch aus.
    Bild und Rahmen schienen recht alt zu sein. Vorsichtig nahm van Zant den Rahmen von der Wand und löste intuitiv die durch kleine Silbernägel gehaltene Papprückwand ab. Etwas krakelig, aber deutlich zu entziffern lag die knapp gehaltene Inschrift vor ihm.
    1982 - Fjällis-Hof, KS
    K und S - die Initialen von Khira Stolt. Damals musste sie etwa elf Jahre alt gewesen sein. Wen die Zeichnung darstellen sollte, konnte van Zant nicht einmal ahnen, doch das spielte für ihn jetzt auch keine Rolle. Viel wichtiger war der dritte Teil der Inschrift: Fjällis-Hof
    Er musste nicht lange überlegen, um sich zu erinnern, dass Khira 1982 noch auf dem Hof ihrer Eltern gelebt hatte -als Gefangene von Vampiren auf Fjällis-Hof! Genau der Hinweis, den er so sehnlich gesucht hatte.
    Wieder einmal war es sein amerikanischer Slang gewesen, der ihn bei den folgenden Nachforschungen behindert hatte. Schließlich war es Artimus zu dumm geworden und er suchte die US-Botschaft in Helsinki auf.
    Er fand kein unverstehendes Lächeln, benötigte keine Dollarnoten, die ihre Besitzer hilfreich wechselten - dafür gab es eine steinalte und verknöcherte Sekretärin, die ihre Lippen ganz sicher nicht zum Lächeln benutzte. Doch keine ganze Stunde später drückte die Frau Artimus einen Ausdruck in die Hand, der einen Teil von Nordfinnland zeigte.
    »Den Fjällis-Hof finden Sie dort. Sie müssen schon genau hinsehen. Ja, dort, mitten im Waldgebiet.«
    Damit war für sie das Gespräch beendet. Und van Zant war das ganz Recht.
    Mit einem hohlen Ton fiel die Fahrertür des Offroader ins Schloss. Artimus machte sich nicht einmal die Mühe, den Zündschlüssel abzuziehen. Hier gab es sicher keine Menschenseele, die sich an dem Toyota zu schaffen machen wollte. So verrückt konnte nicht einmal der letzte Einsiedler Finnlands sein.
    Zu Fuß machte er sich auf den Weg, immer ein Auge auf den Handy-Kompass gerichtet, der ihm die Himmelsrichtung vorgab. Sechs Kilometer konnte ein einigermaßen trainierter Mensch durchaus in einer guten Stunde zurücklegen. Andererseits kam man zwischen den Bäumen nicht ganz so unproblematisch voran.
    Außerdem war Artimus alles andere als ein begeisterter Fußgänger. Ein alter Freund hatte ihm einmal gesagt, dass Gott ihm die Füße zum Kuppeln und Gasgeben, nicht zum Laufen geschenkt habe. Vom Bremsen hatte er nichts erwähnt.
    Die einsetzende Dämmerung konnte van Zants Laune auch nicht gerade heben.
    Mit einem mürrischen Brummen setzte er seinen schweren Körper in Bewegung.
    Immer einen Fuß vor den anderen…
    ***
    Orsina Tybalt liebte die Dämmerung.
    Sie gehörte nicht zu den Vampiren, die sich im Laufe ihrer Evolution nach und nach immer mehr an das
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