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0797 - Tränenjäger

0797 - Tränenjäger

Titel: 0797 - Tränenjäger
Autoren: Volker Krämer
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Wahrscheinlich würde er sie erst bemerken, wenn ihre Zähne sich bereits in seinen Hals gesenkt hatten. Ein wirklich großes Exemplar, das ihre Lust für lange Zeit stillen konnte.
    Die Vampirin duckte sich zum entscheidenden Sprurg…
    ***
    Minuten, Stunden und Tage mischten sich zu einem Brei aus Augenblick und Vergangenem.
    Sie schlief nie wirklich, war nie richtig wach. Alles wurde eins, ließ sich nicht auseinander dividieren. Khira Stolt lag in der hintersten Ecke des Gebäudes auf den Decken, die ihr irgendjemand gebracht hatte. War es Laertes gewesen? Khira konnte es nicht sagen. Ihr Verstand arbeitete in unbekannten Bahnen. Alles war ganz einfach anders.
    Anders als damals…
    Sie nahm nur Wasser zu sich. Das Essen rührte sie nicht an, denn ein letzter Rest von Klarheit in ihrem Verstand schrie warnend auf. Wahrscheinlich waren das Wasser und die Nahrungsmittel mit einer Substanz angereichert, die ihr Denken derartig umnebelte. Sie traute Dalius eine solche Niedertracht nicht zu, aber es war mindestens noch ein weiterer Vampir anwesend. Doch trinken musste sie, denn ohne Flüssigkeit konnte sie nicht überleben.
    Überleben? Wenn Laertes nicht hier gewesen wäre, dann hätte sie auf ihr Leben keinen Cent mehr gesetzt. Doch wo Dalius war, da konnte es noch Hoffnung geben. Warum ließ er sie so lange hier alleine liegen? Die Aura des fremden-Vulca war animalisch. Khira konnte es nicht begründen, doch sie war sicher, dass es sich um eine Frau handelte. Ihre Wächterin konnte sich nur sehr schwer beherrschen, wenn sie Khira Nahrung brachte. Die Biologin spürte den Drang in ihr, ihr das Blut auszusaugen.
    Und erneut fragte sich Khira Stolt, wieso ihr ganz spezieller Fluch - oder ihre Gabe, ganz wie man es sehen wollte -nicht ansprang.
    Die blutenden Augen.
    Sarkana hatte verzweifelt versucht, davor die Flucht zu ergreifen. Und auch bei anderen Gelegenheiten war der Lebenssaft aus Khiras Augen gequollen und hatte Wirkung auf Vampire gezeigt. Also war das nicht einzig auf den Vampirdämon beschränkt.
    Doch bei Laertes und dieser Frau geschah nichts.
    Es war ein Rätsel, das wohl nur einer aufklären konnte: Dalius Laertes selbst.
    Die kleinwüchsige Biologin stellte sich die Frage, wie viel Zeit sie hier bereits so in diesem künstlich erzeugten Delirium verbracht hatte. Die Helligkeit, die durch die Oberlichter und die großen Fenster fiel, kam und ging. Tag und Nacht wechselten, doch Khira konnte nicht sagen, wie oft das bereits geschehen war.
    Warum ließ Sarkana sie nicht einfach töten?
    Dalius’ vorsichtige Andeutung hatte sie nicht richtig einordnen können. War es tatsächlich so, dass der Vampirdämon versessen auf eine Erklärung war, warum Khiras blutende Augen ihm so zusetzten? Wenn Sarkana sie töten ließ, dann konnte ihm der Grund dafür doch letztendlich gleichgültig sein.
    Oder gab es da die Furcht, dass es noch andere wie Khira gab? Die beklemmende Ungewissheit, ob nicht irgendwo auf dieser Welt ein zweites Wesen existierte, dessen Augen seine Macht aushebeln konnten? Wollte der Dämon zunächst Gewissheit, wie er dagegen vorgehen konnte?
    Zurzeit stellte Khira sicher keine akute Gefahr für Sarkana dar.
    Sie versuchte mit aller Gewalt, sich gegen die Nebelschwaden in ihrem Kopf zu wehren. Sie stellte sich selbst mathematische Aufgaben, rezitierte Gedichte und ging biologische Versuchsreihen durch, an denen sie zuletzt gearbeitet hatte.
    Doch über all das legte sich immer wieder die Erinnerung an ihre Kindheit.
    Dalius Laertes - Bruder, Onkel, Freund… und verhasster Feind gleichermaßen. Sie erinnerte sich an vieles, das direkt mit ihm in Verbindung stand.
    Wieder kam ihr der Tag in den Sinn, an dem Dalius sie vor dem wildgewordenen Cranmer beschützt hatte.
    ***
    Finnland - 1977
    Vier Glasampullen mit Khiras Blut hingen in dem kleinen Holzgestell.
    »Und? Hat es sehr weh getan?« Dalius tupfte mit einem Wattepad vorsichtig auf die Einstichstelle an Khiras rechtem Arm. Langsam fiel es ihm schwer, hier noch eine Stelle zu finden, die noch nicht verhärtet war. Er mutete der Kleinen eine Menge zu. Laertes wusste das, doch er sah keine andere Möglichkeit als diese.
    Das viel zu klein geratene Mädchen lächelte ihm müde zu. Der Blutverlust hatte sie erschöpft.
    »Weißt du was? Jetzt schläfst du hier ein wenig, okay? Und wenn du aufwachst, spielen wir etwas. Alles klar, Liberi?«
    Das Kind war viel zu schläfrig, um ihm noch eine Antwort zu geben. Sekunden später war es fest
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