Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0797 - Tränenjäger

0797 - Tränenjäger

Titel: 0797 - Tränenjäger
Autoren: Volker Krämer
Vom Netzwerk:
Tageslicht gewöhnt hatten. Orsina war alt, auch wenn ihr junger Körper etwas anderes vortäuschte. Und sie war alt in ihrer Gesinnung, in ihrem Verständnis von ihrem Volk. Sie war ein Kind der Nacht und würde es auf ewig bleiben.
    Vampire wie Dalius Laertes konnte sie nur verachten, denn sie suchten die Nähe ihrer ureigenen Beute. Sie vermenschlichten nach und nach. Viele ihres Volkes dachten und handelten inzwischen so oder ähnlich. Sie machten Geschäfte mit den Menschen. Wie konnte man mit einer Kreatur Handel treiben, die nichts anderes als eine Nahrungsquelle war?
    Doch nun hatte Sarkana die Macht über alle Vampire übernommen. Endlich war er wieder der, der er immer hätte sein müssen: Herrscher über sein Volk! Er würde das allen überlegene Nachtvolk wieder zu altem Glanz führen.
    Und Orsina Tybalt war seine ergebenste Dienerin. Als solche musste sie auch akzeptieren, von Sarkana auf scheinbar sinnlose Posten gesetzt zu werden - so, wie es vor vier Tagen geschehen war.
    Orsina verstand den Sinn der Gefangennahme nicht. Sie begriff nicht, was an dieser Kindfrau so wichtig sein konnte. Am wenigsten war ihr klar, warum das alles ausgerechnet hier stattfinden musste. Doch ihr Herr hatte klare Anweisungen gegeben. Orsina war für die Gefangene verantwortlich und durfte sich nicht von diesem einsamen Hof entfernen, bis Sarkana zurückkam.
    Er musste doch wissen, dass sie hier keine passenden Opfer finden konnte. Sie war gezwungen, sich minderwertiges Blut zu besorgen. Orsina riss Tiere, um überleben zu können. Das war erniedrigend für die Vampirin.
    Beinahe noch schwerer wog jedoch die Tatsache, dass sie Laertes unterstellt war! Dieser magere Laffe, der sich mit der Kunst der Menschen beschäftigte, der sich Wissenschaftler nannte… Niemanden aus dem Nachtvolk verachtete Orsina so sehr wie ihn.
    So sehr es ihr auch widerstrebte, machte Orsina sich dennoch erneut auf, um ihre Blutgier zu stillen. Es würden wieder andere Tage kommen, angefüllt mit warmem Menschenblut. Heute würde es wieder der so schwache Genuss von Tierblut sein, mehr nicht.
    Geräuschlos bewegte sie sich zwischen den Bäumen. Selbst Tiere waren hier selten, also würde ihre Suche auch noch unnötig lange dauern. Viel wusste Orsina Tybalt nicht von diesem Ort, der Fjällis-Hof genannt wurde. Laertes war schweigsam und ließ sich nur zu den allernötigsten Informationen herab. Orsina wusste, dass er sie wohl ebenso verachtete, wie sie es mit ihm tat.
    Irgendetwas war hier vor drei Jahrzehnten geschehen. Orsinas Gespür war ausgeprägt genug, um die schwachen Spuren zu sehen, zu riechen, sie zu erfühlen. Viele Menschen waren hier gestorben. Und auch viele Vampire.
    Sie würde die Wahrheit herausfinden. Vielleicht war die Kleine ja gesprächiger als Dalius. Irgendwann würde er sich einmal vom Hof entfernen müssen. Orsina war geduldig - noch!
    In einem weiten Bogen entfernte sie sich immer mehr vom Hof, aber das Jagdglück wollte sich einfach nicht einstellen. Durch die Bäume hindurch schimmerte plötzlich das graue Band der Straße. Sie war heute weiter denn je gegangen. Die Tiere schienen sich immer weiter zurück zu ziehen. Ihr Instinkt warnte sie wohl vor dem Wesen, das immer zur gleichen Tageszeit auf Beutezug ging.
    Es war nur eine Frage der Zeit, bis Orsina einmal leer ausgehen musste. Vielleicht schon heute.
    All ihre Sinne schlugen an, als sie am Ende des Straßenbandes das Fahrzeug bemerkte. Ein Geländewagen - hier? Vorsichtig näherte sie sich dem Wagen. Doch zu ihrer Enttäuschung war er leer.
    Orsina lauschte mit ihren magischen Sinnen in alle Richtungen. Es war nur ein Mensch in der Nähe, da war sie sich sicher. Doch war das nicht mehr als genug? Zumindest für sie allein, denn sie würde ihn ganz sicher nicht mit Laertes teilen.
    Die Spur war so frisch, so intensiv, dass Orsina ihr Opfer bereits spüren konnte. Einen Mann. Groß war er, behäbig in seiner Art zu gehen. Er konnte sich noch nicht weit von dem Fahrzeug entfernt haben. Orsina lybalts Augen wurden zu zwei schmalen Strichen. Wie ein Schatten bewegte sie sich vorwärts, immer der Spur nach.
    Und sie ahnte schon den köstlichen Geschmack des warmen Blutes auf ihren sinnlichen Lippen.
    Kurz darauf hörte sie den Menschen schon deutlich. Er stapfte über den Waldboden, als wolle er hier Abdrücke für die Ewigkeit hinterlassen. So plump waren sie, diese schwachen und dummen Wesen.
    Als Orsina ihn schließlich vor sich sah, war sie kaum zehn Meter hinter ihm.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher