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0796 - Luzifer

0796 - Luzifer

Titel: 0796 - Luzifer
Autoren: Achim Mehnert
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wenn du recht hast, heißt das noch lange nicht, dass Merlin uns unterstützt. Wieso sollte er?«
    Calderone spürte, wie sein Blut in Wallung geriet. »Wieso? Wieso? Du findest in jeder Suppe ein Haar, wenn du sie nicht selbst gekocht hast. Das ist dein Fehler. Weniger Reflexion, mehr Aktion.«
    Stygia sah ihn lange und nachdenklich an, dann machte sie eine zustimmende Bewegung. »Wenn du es so willst, dann agieren wir doch.« Sie machte eine weltumspannende Geste. »Rufen wir Merlin doch kurzerhand zu uns.«
    Verarsch mich nicht, wollte Calderone sie anfahren, aber dann erkannte er den Ausdruck in ihrem Gesicht.
    Nein, das tat sie nicht. Sie meinte es tatsächlich ernst. Er begriff es, als sie die Stimme erhob und eine magische Litanei anstimmte.
    ***
    Stygia legte den gehörnten Kopf in den Nacken und murmelte Formeln und Beschwörungen. Dabei wob sie mit den Fingern komplizierte Muster in die Luft, die in Rico Calderones Augen keinen Sinn ergaben.
    Er war noch zu viel Mensch, um es begreifen zu können.
    Stumm beobachtete er die Fürstin der Finsternis, um sie nicht aus ihrer Konzentration zu reißen. Zwar verstand er die Worte, die sie in den grau verhangenen Himmel schleuderte, der Zusammenhang der rituellen Verse erschloss sich ihm jedoch nicht.
    Sie wusste schon, was sie tat - zumindest hoffte Calderone das.
    Gelegentlich warf er einen Blick in die Runde, aber die kriechenden Hilfsdämonen tauchten nicht wieder auf. Anscheinend hatten sie ihre Lektion gelernt. Trotzdem wuchs Calderones Unruhe, denn er musste davon ausgehen, dass die armseligen Kreaturen einem höher gestellten Dämon gehorchten, dem sie Bericht erstatteten.
    »Geht das nicht etwas schneller?«, knurrte er, während der Himmel über ihren Köpfen sich weiter verdunkelte. Wie ein schweres Tuch drückte er auf die unwirkliche Landschaft und schien zum Greifen nahe.
    Stygia schien die Bemerkung gar nicht gehört zu haben. Stoisch setzte sie ihre Beschwörung fort, aber allmählich zeichnete sich die Anstrengung in ihren Zügen ab. Tiefe Furchen bildeten sich in ihrem verführerischen Gesicht.
    Plötzlich begann ein paar Meter entfernt die Luft zu vibrieren. Schlierenartige Gebilde entstanden, aus denen heraus sich etwas zu manifestieren versuchte. Calderone hatte den Eindruck, die verwaschenen Umrisse einer Gestalt zu sehen, die an einem anderen Ort weilte, von unsichtbaren Kräften aber unwiderstehlich hierher gezogen wurde.
    Für einen Moment verstummte Stygia, und ein zorniger Ausdruck trat in ihre Züge. Sie ließ den Kopf sinken und sackte in sich zusammen. Was immer sie auch tat, offenbar hatte sie es sich leichter vorgestellt.
    »Er ist stark«, presste sie zwischen den Lippen hervor. »Stärker vielleicht als Asmodis’ Bruder in unserer Welt.«
    Doch sie gab nicht auf. Wieder richtete sie ihre Blicke himmelwärts, und als sie erneut die Stimme erhob, klangen ihre Worte kräftiger und machtvoller denn je.
    Zu machtvoll, wie Calderone fand. Auch wenn er sie in der Hierarchie der Sieben Kreise der Hölle überflügelt hatte, stellte sie eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich irgendwann offen gegen ihn stellte und ihn herausforderte. Das durfte nicht geschehen. Zweifellos bot auch die Hölle der Spiegelwelt unzählige Gefahren und Überraschungen. Vielleicht ließ sich eine davon auszunutzen, um Stygia ein für allemal loszuwerden.
    Doch einstweilen brauchte er sie noch. Besonders, da sie endlich Erfolg zu haben schien.
    Die verschwommene Gestalt wurde greifbarer, ihre Konturen schärfer. Nebel umfloss sie und waberte unruhig über den Felsboden, wo er zwischen den Spalten einen aufgeregten Tanz aufführte.
    »Merlin«, verstand Calderone einen Wortfetzen. Seine Untergebene hatte ihn ausgestoßen, und er klang fordernd und zwingend.
    Befehlend!
    Doch einem Merlin konnte man nicht so einfach einen Befehl erteilen. Dem Merlin keiner der beiden Welten, so unterschiedlich die Magier auch sein mochten.
    Immerhin habe ich mich nicht geirrt, dachte Calderone erleichtert. Der Spiegelwelt-Merlin hielt sich, wie er es erwartet hatte, in der Hölle auf. Andernfalls wären selbst Stygias enorme Kräfte ins Leere gestoßen und hätten den Zauberer nicht bannen können. Und er, Calderone, hätte als Idiot dagestanden, was sie vermutlich hämisch kommentiert hätte.
    Der Nebel wurde zu einer dichten, dunklen Wolke, hinter der die Landschaft verschwand. Selbst das immerwährende Klagen der verdammten Seelen
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