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0793 - Als der Engel Trauer trug

0793 - Als der Engel Trauer trug

Titel: 0793 - Als der Engel Trauer trug
Autoren: Jason Dark
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blieb vor der ›Truhe‹ stehen. Mit der flachen Hand schlug er auf die Oberseite. »Ich kann mir nicht helfen, John, aber ich habe einfach das Gefühl, dass sie eine wichtige Rolle spielt.«
    »Wieso?«
    Er drehte mir den Kopf zu, denn ich stand noch immer dicht vor dem Grab. »Wir sollten versuchen, den Deckel anzuheben.« Wieder schlug er auf die Platte. »Es könnte sein, dass sich darunter ein Hohlraum befindet, der wichtig sein kann.«
    Es gab keinen Beweis, aber der Versuch konnte nicht schaden. Bei diesen Verhältnissen hatte es keinen Sinn, sich umschauen zu wollen. Wir würden nichts sehen. Wenn der teuflische Engel sich näherte, dann erst konnten wir reagieren. Wir bauten uns vor dem ungewöhnlichen Grabstein auf, standen uns gegenüber und hielten beide den überlappenden Rand umklammert.
    »Fertig, John?«
    Ich nickte.
    »Dann los!«
    Zugleich setzten wir unsere Kraft ein und hoben den Deckel an.
    Womit ich eigentlich nicht gerechnet hatte, es klappte plötzlich. Die Steinplatte war zwar schwer, aber nicht zu schwer. Schon beim ersten Versuch bekamen wir sie in die Höhe. Meine Arme zitterten zwar mehr als Sukos, aber es klappte. Wir konnten die Platte zur Seite tragen und sie hinter dem Grabstein abstellen.
    Dort sank der Rand in die weiche Erde ein. Wir kippten sie gegen das Unterteil, und wie Suko schon vermutet hatte, war das Innere des Grabsteins hohl.
    Ich tauchte meine Hand hinein. Die Luft kam mir kälter vor, als wäre sie von einem Totenhauch durchzogen. Das konnte auch Einbildung sein, jedenfalls nahm der Nebel seine Chance wahr und kroch sofort in das Innere hinein.
    Suko holte diesmal die Lampe hervor. Es war so düster, dass wir nicht bis auf den Grund schauen konnten. Da würde ein Strahl kaum reichen, deshalb nahm ich meine Lampe ebenfalls.
    »Okay?«, fragte Suko.
    Ich nickte, und wieder handelten wir gemeinsam. Wir schalteten die Lampen ein, die Lichtstrahlen fanden ihren Weg. Sie glitten über die feuchten Innenseiten hinweg, bewegten sich tiefer durch den noch dünnen Dunst, erreichten auch den Grund, wo tatsächlich etwas lag, das sich im kalten Licht sehr gut abmalte. Es war schlimm.
    Wir wollten es kaum glauben.
    Es war zwar nicht der Schock des Lebens aber er befand sich auch nicht weit davon entfernt.
    Dieser Grabstein hatte als Ruheplatz gedient. Als Ruhestätte für fünf tote Kinder.
    ***
    Etwas fraß sich wie Säure über meinen Rücken. Ich strahlte die bleichen, puppenhaften Gesichter an, in denen sich nicht einmal starke Spuren der Verwesung abzeichneten, doch es mochte gerade an diesem ›normalen‹ Bild liegen, das den Schrecken abstrahlte und uns so direkt mit dem Tod konfrontierte. Wir waren beide nicht in der Lage, ein Wort hervorzubringen. Am Zittern der Lampenstrahlen ließ sich unser Zustand erkennen. Jedenfalls waren wir wie vor den Kopf geschlagen.
    »Mein Gott, das ist doch…«
    »Hör auf, John, hör auf!« Suko hatte mit knirschender Stimme gesprochen. Ich schaute kurz zu ihm. Dass er so bleich geworden war, lag nicht allein am Nebel. Auch ihm war der Schreck bis in den letzten Winkel seines Körpers gefahren. Fünf tote Kinder – fünf geraubte Kinderleichen, die verzweifelt gesucht worden waren.
    Wir hatten sie gefunden! Hier auf dem Friedhof, versteckt in einem Grabmal.
    Warum? Himmel noch mal, warum war dies geschehen? Wer hatte die Leichen hier in diesen Steinsarkophag gelegt. War es der Engel mit der Teufelsfratze gewesen oder die seltsame Gestalt, die wir im Kindergarten gesehen hatten. Wer immer es auch getan hatte, es war bestimmt nicht grundlos geschehen.
    Ich drehte mich nach rechts, wo mein Freund Suko stand. Mit der freien Hand strich er über sein Gesicht, und die Lippen formten die Worte »Warum nur?«
    Ich hob die Schultern, mehr konnte ich wirklich nicht tun. Es war einfach nicht mehr zu fassen, hier hatte das Grauen mit all seiner Macht zugeschlagen. Es passierte eigentlich nichts, die fünf Kinderleichen bewegten sich nicht, es waren keine kleinen Zombies, doch allein der Anblick erschütterte uns.
    »Kein Kind zeigt Anzeichen von Verwesung«, sagte Suko leise.
    »Sie alle sehen aus wie schöne Puppen, die schlafen.« Er hob die Schultern. »Ich verstehe es nicht.«
    »Sie liegen hier, als wären sie in Sicherheit gebracht worden.«
    »Sind sie das?«
    »Ja, Suko, das ist die Frage.« Ich dachte verzweifelt nach, auf eine Lösung kam ich nicht, ich konnte nur spekulieren. »Es muss uns gelingen, eine Verbindung zwischen den toten
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