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0767 - Das Grauen von Milford Sound

0767 - Das Grauen von Milford Sound

Titel: 0767 - Das Grauen von Milford Sound
Autoren: Dario Vandis
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Zamorras Hosenbein hängengeblieben war, bemerkten sie nicht.
    ***
    Karin und Robert waren gefangen von der Schönheit des Sounds.
    Schon die Fahrt hierher war ihnen wie ein einziges großes Abenteuer erschienen. Als dann aber der dunkle Wasserspiegel der Bucht vor ihnen auftauchte, mit dem spitzen Mitre Peak dahinter, von dessen Steilwänden aus Dutzenden Metern Höhe kaskadenartige Wasserfälle rauschten, waren sie schier überwältigt. Angesichts der mächtigen Kulisse des Berges nahmen sich die Fälle wie winzige Lecks in einer Wasserleitung aus.
    Karins dunkle Vorahnungen, ja selbst der Eindruck der Begegnung mit dem Journalistenpärchen war wie weggeblasen.
    Auf dem Wasser schwammen ein paar Boote, die Touristen über den Fjord zur Meeresmündung und wieder zurück beförderten. Auf dem Parkplatz vor dem Anleger stand ein einziger Bus mit der Aufschrift Kiwi Experience. Es war eben Nebensaison.
    Karin und Robert sicherten sich zwei Tickets für die Bootsfahrt. Dann warteten sie in einem Café nahe der Milford Sound Lodge auf die Abfahrt.
    »Noch eine Stunde«, brummte Robert und blickte missmutig auf die Glasscheiben, hinter denen Torte, Schokolade und Kekse zu überhöhten Preisen angeboten wurden. Eine Kassiererin saß hinter der Theke und bearbeitete gelangweilt einen Kaugummi. »Dann bricht ja schon die Dunkelheit herein. Wie sollen wir in dieser Einsamkeit die Zeit totschlagen?«
    »Mach die Augen auf und genieße den Anblick. Dann vergeht die Zeit ganz von allein!«
    Ein Schatten fiel auf ihren Tisch, und ein hagerer Mann mit eingefallenen Wangen und zerfurchter Stirn setzte sich zu ihnen. Er war in einen dicken Wintermantel gehüllt und trug eine beige Wollmütze auf dem Kopf. Seine Augen lagen tief in den Höhlen; ein fiebriger, fast glühender Blick, der Robert nicht gefallen wollte.
    »Ihre Angetraute hat Recht. Die Schönheit des Sounds ist einfach überwältigend…«
    »Wir sind nicht verheiratet«, knurrte Robert.
    Der Mann grinste und entblößte eine Reihe schlecht gepflegter Zähne. Roberts Blick fiel auf die silberne Kette, die der Fremde trug. Ihm war, als habe er etwas Blaues unter dem Hemd aufblitzen sehen, aber das konnte auch ein Irrtum sein. - »Warten Sie ebenfalls darauf, dass das Boot ablegt?«
    Worauf soll man hier sonst warten?, dachte Robert.
    »Ich habe mir auch ein Ticket besorgt«, fuhr der Fremde fort. »Ist eine fantastische Tour. Die Wasserfälle, die Steilhänge…«
    »Sie fahren nicht zum ersten Mal?«, fragte Karin eher aus Höflichkeit denn aus Interesse.
    »Ich bin vernarrt in den Sound.«
    »Wohnen Sie hier?«
    »Würde ich gern. Aber hier gibt's ja keine Häuser.«
    »Wir fahren auch heute Abend wieder.«
    Der Mann blickte Karin ernst an. »Manche Touristen bleiben über Nacht hier, weil es so verlockend ist. So schön. So unwiderstehlich. Man kann sich der Wirkung der Umgebung nicht entziehen…«
    Karin runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit?«
    »Das müssen Sie selbst rausfinden.« Er beugte sich vor. »Ich empfehle den Fußweg zum Mount Pembroke. Da können Sie noch was sehen!«
    »In der Dunkelheit?«
    »Ich bringe sie schneller hin. Ich habe noch eine andere Touristin, die uns begleiten wird. Wir starten beim Unterwasserzoo.«
    »Sind Sie so eine Art Fremdenführer?«
    Auf Roberts Stirn entstand eine steile Falte. Karin und ihre verdammte Neugier. Ihm war die Nähe dieses Typen fast körperlich unangenehm.
    »Mein Name ist James Nash.« Er stand auf und lüftete seine Wollmütze. Verschwitzte, struwwelige Haare kamen darunter zum Vorschein. »Fahren Sie eine Tour früher mit, dann schaffen wir den Mount Pembroke noch.«
    »Aber das früheste Schiff geht in einer Stunde.«
    »Nicht, wenn ich Sie begleite. Wir treffen uns am Pier.«
    Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern verließ den Tisch und setzte sich zu einer schlanken, schwarzhaarigen Frau, die ebenfalls eine Touristin zu sein schien.
    »Vielleicht bekommt er Provisionen vom Anbieter der Bergtour«, murmelte Karin.
    Die Kassiererin schien ihrem Gespräch gelauscht zu haben und winkte ab. »Nash ist harmlos«, sagte sie und ließ eine Kaugummiblase platzen. »Er ist fast schon eine Institution hier.«
    Karin warf einen kurzen Blick auf den selbst ernannten Bergführer. Er saß weit genug fort, sodass er ihrer Unterhaltung nicht folgen konnte. »Wohnt er in der Nähe des Sounds?«
    Die Frau sah Karin an, als hätte sie eine unglaublich dumme Frage gestellt. »Sie werden in der näheren Umgebung keine
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