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0753 - Die Blutbuche

0753 - Die Blutbuche

Titel: 0753 - Die Blutbuche
Autoren: Jason Dark
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aber sie gab die Perspektive ein wenig zu verzerrt wider.
    Die Frau riskierte es, hob den Arm, umklammerte den Griff und öffnete das Fenster.
    Es war eine frische, würzige und gute Luft, die in ihr Gesicht strömte und sich dann auch im Zimmer verteilte. Sie beugte sich vor und hatte den Eindruck, eine gewisse Unruhe zu erleben.
    Das war keine stille Nacht…
    Vögel waren aufgeschreckt worden. Sie lärmten in den dichten Baumkronen und flogen sehr schnell weg. Dabei hatten sie so etwas wie eine Warnung abgegeben.
    Aber für wen?
    Es wurde wieder still.
    Betty atmete auf. Du machst dich selbst verrückt, dachte sie. Du darfst das nicht tun, sonst drehst du noch durch.
    Die Bewegung war keine Täuschung gewesen. Sie sah die Gestalt nahe der Blutbuche. Dabei stand sie so günstig, daß sich der gewaltige Baum hinter ihrem Rücken abhob.
    Was war das?
    Nein, es war kein Mensch. Er wäre viel zu klein gewesen. Das war ein Zwerg oder noch winziger, ein Miniaturwesen, das im Mondlicht einen blassen Glanz abstrahlte, als hätte man es mit feinem Silberpulver »bestäubt«.
    Sie schluckte.
    Wieder dachte sie an die alten Geschichten, die man sich von einem geheimnisvollen Volk erzählte, das sich irgendwo in der Tiefe des Waldes versteckt hielt.
    Es mußte ein Volk aus Elfen oder Zwergen sein. Wesen, die auch Alice im Wunderland gesehen hatte.
    Die Gestalt rührte sich nicht.
    Aber sie bekam Besuch.
    Unter den Zweigen der Buche hatte sich eine zweite Gestalt gelöst. Betty konnte es nicht mit hundertprozentiger Gewißheit sagen, aber sie wurde den Eindruck nicht los, daß es sich dabei um eine kleine Frau handelte, die natürlich in der Größe zu der ersten Gestalt paßte.
    Zwerg und Zwergin!
    Betty Carr konnte es nicht fassen.
    Sie wünschte sich mehrere Zeugen herbei, das war nicht möglich. So mußte sie sich auf sich selbst verlassen. Sie wunderte sich darüber, wie glatt es ihr gelang, sich zurückzuziehen und das Fenster zu schließen. Obwohl jetzt eine Trennung zwischen ihr und der freien Natur lag, fühlte sie sich keinesfalls wohler. Der dumpfe Druck und das schlimme Gefühl der Furcht blieben einfach in ihr zurück. Aber sie wußte jetzt, was sie tun mußte. Betty gehörte nicht zu den Frauen, die sich in die Ecke setzten und alles ihren Männern überließen. Sie war es gewohnt, die Probleme selbst anzugehen, und das wollte sie jetzt.
    Deshalb verließ sie den Raum, durchquerte den schmalen Flur und lief auf die Haustür zu. In eine Nische hatte ihr Mann den Waffenschrank eingebaut.
    Betty überlegte, ob sie ihn öffnen und eines der Gewehre hervornehmen sollte, denn mit einer solchen Waffe konnte sie durchaus umgehen. Sie tat es nicht, weil sie nicht provozieren wollte. Wer immer die Wesen auch sein mochten, sie wollte ihnen als friedliche Person begegnen. Den Schlüssel nahm sie vom Haken und steckte ihn in die Außentasche der grünen Bluse. Dann verließ sie das Haus.
    Betty betrat eine abendliche, kühle Welt. Sie war hineingegangen in eine wunderschöne Sommernacht, aber sie konnte leider nicht so empfinden. Immer wieder mußte sie an die beiden Gestalten denken, und das bereitete ihr Sorge.
    Waren sie friedlich? Waren sie feindlich? Verhielten sie sich einfach nur neutral?
    Noch wußte sie nichts, und das wiederum machte sie schon ein wenig nervös.
    Sie ging weiter.
    Ihre Schritte schleiften über den Boden. Er war ziemlich weich, denn Gras und Moos bildeten einen Teppich. Um die Blutbuche zu erreichen, mußte sie sich nach links wenden, und sie merkte auch, wie ihre Knie anfingen zu zittern.
    Dieser Gang gefiel ihr überhaupt nicht. Aber er war nötig geworden, um wenigstens einen Teil des Rätsels lösen zu können. Auf leisen Sohlen ging sie weiter, wollte keinen stören, und auch sie wurde vom Glanz des Mondlichts erfaßt.
    Die beiden Gestalten waren verschwunden.
    Als Betty das sah, blieb sie stehen und schüttelte verständnislos den Kopf.
    Waren sie tatsächlich weg, oder hatte sie sich die kleinen Wesen nur eingebildet?
    Es gab für sie einfach keine normale Antwort, und das wiederum ärgerte sie auch.
    Betty setzte ihren Weg fort. Eine innere Stimme warnte sie, vorsichtig zu sein. Sie hörte auf den Rat, schaute in verschiedene Richtungen und drehte sich auch um.
    Keine Gefahr…
    Und der Wald schwieg. Er war ein dunkles, unheimliches Schattengebilde, in das das Gespenst des Mondlichts hineintauchte und an verschiedenen Stellen leicht glänzende, geheimnisvolle Inseln bildete.
    Bisher hatte
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