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075 - Der Kopfjaeger

075 - Der Kopfjaeger

Titel: 075 - Der Kopfjaeger
Autoren: Neal Davenport
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Ahnung“, antwortete Sybill. „Er bestellte mich hierher, aber ich sah ihn nicht.“
    „Mich bestellte er auch her“, sagte Armand. „Das kommt mir jetzt seltsam vor. Verschwinden wir lieber. Dieses Haus ist unheimlich.“
    „Ich habe Angst“, sagte Sybill und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    Als sie die erste Stufe betraten, hörten sie das Geräusch. Sie blieben stehen und lauschten. Schwere Schritte kamen näher. Die Tür zur Halle wurde geöffnet, und der Henker von Paris trat ein. Er blieb stehen und hob das große Schwert. Die Sonne spiegelte sich auf der scharfen Schneide. Der Henker trug einen altertümlichen schwarzen Anzug und schwarze Handschuhe. Sein Gesicht war starr, nur die Augen schienen ein eigenes Leben zu führen.
    Der Henker hob den Blick und starrte Sybill und Armand an.
    „Wir müssen fliehen!“ schrie Melville, packte Sybill am Arm und zerrte das Mädchen hinter sich her. Doch nach wenigen Schritten blieb er stehen. Ein stechender Schmerz durchraste sein Hirn. Er glaubte, sein Schädel würde platzen. Er schloß die Augen und kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Fremdartige Gedanken stahlen sich in sein Hirn. Die unheimliche Stimme in seinem Kopf trieb ihn weiter: Er war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig.
    Sybill folgte ihm. Sie war genauso willenlos wie er. Die beiden betraten einen dunklen Raum, knieten nieder, hoben die Köpfe und warteten.
    Der Henker stieg langsam die Treppe hoch. Das schwere Schwert hielt er mit beiden Händen umklammert. Er verharrte kurz vor dem dunklen Zimmer, dann trat er über die Türschwelle. Hinter Sybill und Armand blieb er stehen. Er stützte sich auf das Schwert und schloß die Augen.
    „Es soll geschehen“, sagte er mit dröhnender Stimme. „Ich folge deinem Befehl, Frederic de Buer.
    Ich werde die beiden töten. Und dann Dorian Hunter. Danach wird sich der Fluch von mir abwenden, und ich werde Erlösung finden. Es soll geschehen, wie du es wolltest.“
    Der Henker öffnete die Augen. Sein Blick war starr auf seine Opfer gerichtet.
    Melville hatte die Worte wie durch eine Wand hindurch gehört. Verzweifelt bäumte er sich gegen die Lähmung auf, die seinen Körper befallen hatte.
    Und dann sagte der Henker den Spruch, den er immer vor einer Hinrichtung gesprochen hatte. Er sprach langsam und betonte jedes Wort.
    „Herr, mein Gott, ich flehe um deine Barmherzigkeit. Laß deine Gnade leuchten …“
     

     
    Ich hatte mich einmal verfahren, und das hatte kostbare Minuten gekostet. Endlich bog ich in die Rue Didot ein. Die Reifen heulten protestierend. Ich war gefahren, als wäre der Leibhaftige hinter mir her. Nur noch wenige Meter.
    Ich bremste ab, bog in die schmale Straße ein und sah das Haus, das Marie mir beschrieben hatte. Fast sprang ich aus dem Wagen. Ich stürmte in den Garten, riß die Haustür auf und raste durch die Diele. In der Halle blieb ich stehen.
    „Sybill, Armand!“ schrie ich.
    Keine Antwort. Ich wandte mich der Treppe zu, rannte hinauf und – da hörte ich die Stimme.
    „Laß deine Gnade leuchten über die Seelen der armen Sünder, die von ihrem Erdenleben zu befreien …“
    Wie von Furien gehetzt, rannte ich den Gang entlang. Die Tür zu einem Zimmer stand offen. Ich warf im Vorbeilaufen einen Blick hinein und schauderte beim Anblick der Köpfe.
    Sybill und Armand knieten auf dem Boden eines dunklen Zimmers. Hinter ihnen stand der Henker von Paris.
     

     

„… Mir jetzt obliegt“, sagte er eben. „Richte mich nicht, denn ich habe nicht gerichtet, sondern vollziehe nur den Spruch.“
    „Halt!“ schrie ich und sprang den Henker an.
    Er taumelte zur Seite, und das Schwert entfiel seinen Händen. Doch er richtete sich gleich wieder auf, und seine Blicke wollten mich durchbohren.
    Ich kreuzte meine Hände vor der Brust und trat einen Schritt zurück.
    „Hör mir zu, Charles-Henri Sanson de Longval!“ sagte ich.
    Sein Blick änderte sich nicht.
    „Du wurdest gegen deinen Willen zum Leben erweckt“, sprach ich weiter. „Ich werde dich erlösen.“
    Unheimliche Gedanken strömten plötzlich auf mich ein. Der Henker hob beide Arme, und seine Gestalt wurde durchscheinend.
    Ich griff in die Tasche, holte ein geweihtes Kreuz hervor und schleuderte es der verblassenden Gestalt entgegen. Ein lauter Knall war zu hören, und der Henker nahm wieder Gestalt an.
    Rasch bückte ich mich und hob das Kreuz auf.
    Der Gesichtsausdruck des Henkers veränderte sich. Er atmete rascher und ließ das Kreuz nicht aus
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