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075 - Der Kopfjaeger

075 - Der Kopfjaeger

Titel: 075 - Der Kopfjaeger
Autoren: Neal Davenport
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Longval, der sein Amt im Alter von neunzehn Jahren angetreten hatte. In seiner Laufbahn hatte er mehr als dreitausendfünfhundert Menschen hingerichtet, darunter so prominente Leute wie den König, die Dubarry, Danton und Robespierre.
    Die Vorstellung, diesen unheimlichen Mann zum Leben zu erwecken, ist einfach umwerfend.
    Morgen ist es soweit. Ich flehe alle bösen Geister an, daß es gelingen möge.
    Die Beschwörung war ein Erfolg, aber sie verlief völlig anders, als ich erwartet hatte. Es dauerte mehr als eine Stunde, bis es Gilbert Sanson gelang, Kontakte mit seinem Urahnen herzustellen.
    Dann trat ich in Aktion und riß ihn aus dem Jenseits in die Gegenwart. Ich zwang den Geist in Pierre Gormats Gehirn. Charles-Henri Sanson de Longval unterdrückte Pierre Gormats Geist. Aber mir gelang es nur teilweise, den Geist des Henkers von Paris zu beherrschen. Der Mann war wahnsinnig gewesen, als er starb, und die Ausstrahlung von Wahnsinnigen ist kaum für einen Dämon zu ertragen.
    Anfangs redete der Henker wirres Zeug. Unverständliche Worte sprudelten aus seinem Mund. Er wollte zurück; zurück in die Dunkelheit. Dann sprach er immer deutlicher, immer verständlicher.
    Ich stellte ihm unzählige Fragen, die er nicht beantwortete. Er tobte im Keller herum, und ich bekam es mit der Angst zu tun.
    Gilbert Sanson hatte ein zweischneidiges Henkersschwert mitgenommen, das früher einmal dem Henker von Paris gehört hatte. Es hatte sich bei der Geisterbeschwörung als gut erwiesen, wenn sich ein Gegenstand des Verstorbenen im Raum befand.
    Bevor ich noch eingreifen konnte, packte der Henker das Schwert und blieb vor seinem Urenkel stehen. Eine unglaubliche Kraft strömte von Charles-Henri Sanson de Longval aus. Ich versuchte, seine Ausstrahlung zu brechen, doch es gelang mir nicht.
    Wie unter einem unheimlichen Zwang kniete Gilbert Sanson nieder und senkte den Kopf.
    Und dann kam das Furchtbare: Der Henker stellte sich hinter Gilbert Sanson und sprach die Worte, die sich von Generation zu Generation vererbt hatten.
    „Herr, mein Gott, ich flehe um deine Barmherzigkeit. Laß deine Gnade auch leuchten über die Seele des armen Sünders, den von seinem Erdenleben zu befreien mir jetzt obliegt.“
    Mit einem gewaltigen Hieb trennte er den Kopf Gilbert Sansons vom Leib.
    Meine Blutgier erwachte.
    Als ich aus meiner Ekstase erwachte, war der Henker mit dem Schädel des Ermordeten verschwunden.
    Doch es war mir ein leichtes, dem Henker zu folgen. Er schritt unbeirrt durch die nächtlichen Straßen. Sein Körper war fast unsichtbar. Nur eine schemenhafte Gestalt, die kaum zu erkennen war. Bald hatte ich Mühe, ihm auf den Fersen zu bleiben, da er immer rascher ging. Und plötzlich war er gänzlich unsichtbar geworden. Ich spürte nur noch seine Ausstrahlung und konnte ihm daher weiter folgen. Wir überquerten die Seine. Er ging in Richtung Süden. Es kam mir endlos lang vor, bis er endlich in einer einsamen Gasse stehenblieb. Er trat in ein altes verlassenes Haus ein.
    Ich blieb draußen stehen und versuchte, Kontrolle über ihn zu bekommen, doch ich hatte nur teilweise Erfolg damit.
    Ich betrat auch das Haus, und er nahm Gestalt an. Ich kämpfte mit ihm, doch ich konnte ihn nicht besiegen. Sein wirrer Geist ließ es nicht zu. Ich legte einen Bannspruch um das Haus und kehrte in mein Sanatorium zurück. Verzweifelt suchte ich nach einem Weg, den Henker auszuschalten. Es bleibt mir nur eine Möglichkeit: Ich muß einen anderen künstlichen Menschen schaffen und ihn beseelen. Dazu muß ich einen mächtigen Geist erwecken. Irgendeinen Dämon, der immun gegen die Ausstrahlung eines Wahnsinnigen ist.
    Heute besuchte ich den Henker. Er tobte und versuchte, mich zu töten, doch ich konnte ihn abwehren. Er ist voller Haß und Wut. Er will sich rächen, und in seinem Wahnsinn hat er das dringende Verlangen, Menschen zu töten. Er konnte den Bannspruch, den ich um das Haus gelegt hatte, überwinden. Ich folgte ihm wieder. Er hat eine unheimliche Macht. Er kann die Menschen beeinflussen und macht sie zu willenlosen Puppen, die er auf telepathischem Weg in abgeschiedene Straßen und Winkel lockt und dann köpft. Ich war immer zur Stelle und trank das Blut. Aber langsam bekomme ich Angst. Der Henker mordet immer weiter. Die Schwarze Familie wandte sich schon an mich. Ich muß den Henker ausschalten.
     
    Hier endeten die Aufzeichnungen Frederic de Buers. Der Henker von Paris war also am Leben. Und er hatte die Fähigkeit, sich unsichtbar zu
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