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074 - Die mordenden Leichen

074 - Die mordenden Leichen

Titel: 074 - Die mordenden Leichen
Autoren: John E. Muller
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zum Tag deiner Geburt, bis zu dem Zeitpunkt, bevor Henry de Ruys starb.“
     

     
    Was nun folgte, war so phantastisch, daß Fenner glaubte, seinen Augen und Ohren nicht trauen zu können. Er stand unbeweglich in einer Ecke des Zimmers und beobachtete Chambers, der das wie tot daliegende Mädchen weiter befragte.
    „Du gehst jetzt weiter zurück, weit zurück durch die Zeit, einhundert, zweihundert, dreihundert Jahre und noch fünfzehn Jahre. Was siehst du nun?“
    „Ich sehe ein kleines Zimmer mit seltsamen Zeichnungen auf dem Fußboden. Dieses Kabinett hat nur ein Fenster, das in den Garten hinter dem Haus geht.“
    „Welches Haus?“
    „Das Schloß … oben auf dem Hügel. Unter uns liegt Mendringham, zwei Kilometer entfernt.“
    „Weiter, Versuche nicht, Einzelheiten zu unterschlagen. Was geschieht in diesem Kabinett?“
    „Sie warten auf jemanden. Fünf Menschen … warten.“
    „Fünf!“ rief Chambers. Er schien einen plötzlichen Entschluß zu fassen. Dann rief er befehlend: „Du bist nun im Körper von Margaret de Ruys. Schnell – sage mir, wer die anderen im Zimmer sind und auf wen sie warten.“
    Zu Fenners großer Verwunderung veränderte sich Angelas Stimme völlig. Es war die Stimme einer ganz anderen Frau, eines anderen Charakters.
    „Wir warten hier auf meinen Vater. Meine Mutter steht am Fenster und blickt in den Garten hinaus. Meine Brüder Martyn, James und Edmund sind hier im Zimmer. Nun soll der Höhepunkt dessen kommen, wofür wir all die Jahre gearbeitet haben. Bald wird mein Vater kommen und uns bringen, was wir für die Ausführung unseres Planes brauchen. Wenn es uns diesmal gelingt, werden wir unsterblich sein. Vater hat uns das versprochen. Nur Edmund hat Angst. Er hatte immer Angst, wenn wir unsere Arbeit taten. Manchmal glaube ich, er will gar nicht unsterblich sein, sondern wie alle anderen, dummen Menschen unten im Dorf, die dazu verdammt sind, wie Tiere zu leben und zu sterben. Tatsächlich sind sie nichts anderes als Tiere, alle zusammen. Deshalb benützen wir sie auch für unsere Zwecke.“
    Fenner schüttelte sich beim Klang dieser Stimme. Sie troff von Haß und Boshaftigkeit.
    „Weiter. Was geschieht nun?“
    „Ich kann draußen ein Geräusch hören. Das wird mein Vater sein. Ja … er ist es. Ich kann ihn nun deutlich durch das Fenster sehen. Er kommt den Gartenweg herauf. Der Mann in seiner Begleitung scheint betrunken zu sein. Das war wahrscheinlich die einfachste Lösung, um ihn hierher zu bringen. Keiner der Dorfbewohner kommt mehr in unsere Nähe. Sie meiden den Ort, und das mit gutem Grund.“
    Die Stimme brach in ein grausiges Gelächter aus, das durch Chambers’ Salon gellte und an Fenners Nerven zerrte. Er hatte das Bedürfnis, vorzuspringen und den Freund zu bitten, aufzuhören, doch er beherrschte sich.
    „Überspringe eine halbe Stunde“, befahl Chambers dem Mädchen. „Was geschieht nun?“
    „Edmund ist fort. Er floh, als Vater das Haus betrat. Es scheint, daß er an unserer Unsterblichkeit um keinen Preis teilhaben will. Vater sagt, wir sollen ihn laufen lassen. Ich rannte vor wenigen Minuten Hals über Kopf den Gartenweg hinunter. Er hätte die Steilwand hinunterfallen können und auf den Felsen unten zerschellen. Falls er nun wirklich hinunterfiel, war das die gerechte Strafe für seine Abtrünnigkeit. Wir anderen sind bereit, die Opferung zu beginnen.“
    „Opferung!“ Gegen seinen Willen entschlüpfte Fenner dieser Ausruf.
    „Still!“ warnte Chambers. „Wir kommen nun zum wichtigsten Moment. Sie dürfen jetzt weder sprechen, noch sich bewegen.“
    Fenner nickte, zum Zeichen, daß er verstanden hatte.
    Chambers wandte sich nun wieder dem Mädchen zu.
    „Höre mir nun gut zu, Angela de Ruys. Ich will, daß du uns genau schilderst, was nun geschieht. Das ist sehr wichtig. Auch das kleinste Detail ist wichtig. Verstehst du?“
    „Ich verstehe“, sagte sie mit einigem Widerstreben in der Stimme. Mitunter wurde die Stimme so leise, daß Fenner Mühe hatte, die Worte zu verstehen. Es war, als kämpfe eine Macht mit Chambers um die Kontrolle über das Mädchen, als versuchte diese Macht, den dünnen Faden zur Verfangenheit zu zerreißen. Einige der Kerzen waren bereits fast heruntergebrannt, bald würden sie mit einem letzten Flackern verlöschen.
    Fenner lauschte gespannt, als die Stimme von gräßlichen Obszönitäten sprach, vom Menschenopfer, das in dem kleinen Raum an der Rückseite des Schlosses durchgeführt wurde, von der
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