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0724 - Vampirträume

0724 - Vampirträume

Titel: 0724 - Vampirträume
Autoren: Claudia Kern
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breit. Als überzeugter Konfuzianer hatte er nur Verachtung für ihre Anhänger übrig. Trotzdem ließ er die Untersuchung des Heilers geduldig über sich ergehen. Wer ein so hohes Alter erreicht hatte, konnte kein Stümper sein.
    Wu hob Youweis Augenlider an, drückte gegen die Hand- und Fußballen, stach in seine Ohrläppchen und schnaufte dabei wie ein Maultier. Nach einiger Zeit lehnte er sich zurück und trank ungefragt aus Tsa Mo Ras Teetasse.
    »Deine Augen haben genug von dieser Welt gesehen«, sagte er ruhig. »Sie kehren sich nach innen, um deine Seele zu betrachten. Sei dankbar für die Bilder, die sie dir schenkten, und lasse sie ruhen.«
    Youwei versuchte das plötzliche Zittern seiner Hände zu unterdrücken. »Willst du damit sagen, dass ich blind werde?«
    »Blind für das, was von außen kommt. Ein Abschnitt deines Lebens ist beendet, ein anderer beginnt. Akzeptiere das, und du wirst Weisheit erlangen.«
    Wu ließ sich von Tsa Mo Ra auf die Beine helfen und griff nach seinen Stöcken. »Deine Augen sind müde, mein Freund. Dagegen kann niemand etwas tun.«
    »Warte«, sagte Youwei, als der alte Mann zur Tür hinkte. »Wie lange wird es dauern, bis ich vollständig…«
    Er schluckte, bevor er das verhasste Wort aussprach, »…erblinde?«
    »Es kann morgen schon soweit sein, vielleicht auch erst in sieben Tagen. Das weiß nur Buddha.«
    Youwei blieb stumm sitzen, hörte kaum, wie Tsa Mo Ra den Heiler verabschiedete und an den flachen Tisch zurückkehrte. Seine Gedanken überschlugen sich, kreisten in chaotischen Bahnen, die er kaum in den Griff bekam. Er hatte geahnt, dass sein Zustand schlecht war, aber die Gewissheit erschütterte ihn bis ins Innerste seiner Seele.
    Youwei stand auf, verbeugte sich kurz und ging in Richtung Innenhof.
    »Bitte entschuldigt mich, Tsa Mo Ra, ich möchte ein wenig allein sein.«
    »Ich verstehe. Wenn Ihr etwas benötigt, lasst es mich wissen.«
    Abgesehen Von einigen Dienern, die sich diskret im Hintergrund hielten, war der Garten verlassen. Youwei blieb stehen und zwang sich zur Ruhe. Er hatte gedacht, noch mehr Zeit zu haben, aber bei maximal sieben Tagen, die ihm blieben, konnte er seine Entscheidung nicht mehr aufschieben.
    Er musste fliehen, noch in dieser Nacht.
    ***
    Baal ging mit raschen Schritten seinem Ziel entgegen. Es war ihm leicht gefallen, die Tulis-Yon zu töten. Ein solch niederes Wesen hatte keine Chance gegen seine Jahrtausende alte Macht. In ihrem Geist hatte er alle Informationen gefunden, die er benötigte. Er kannte ihren Namen, den Weg, den sie zu gehen hatte und ihr unstillbares Bedürfnis, Kuang-shi endlich zu sehen.
    Ich habe das gleiche Bedürfnis, dachte Baal, nur aus einem anderen Grund. Wenn er tot ist, kann ich endlich meinen rechtmäßigen Platz einnehmen.
    Er hatte Hopes Körperform angenommen und imitierte ihre Aura, da er nicht sicher war, ob sich hier draußen am Strand bereits Wachen der Tulis-Yon befanden. Kuang-shi schätzte er als äußerst vorsichtig ein, deshalb war es wahrscheinlich, dass die gesamte Umgebung bewacht wurde.
    Baal blieb stehen und sah sich um. Die Wegbeschreibung, die er Hopes Geist entrissen hatte, endete an diesem Punkt. Der von Menschen frequentierte Teil des Strandes lag hinter ihm, die Hafenanlagen vor ihm. Hier ging der Sand in Felsen über, die teilweise bis ins Meer hinausragten. Treibholz, Müll und Seetang bedeckten den Boden.
    Baals geschärfte Sinne nahmen Schritte wahr, aber er drehte sich erst um, als er angesprochen wurde.
    »Hope«, sagte ein kahlköpfiger, asiatisch wirkender Mann. »Ich bin Agkar, der Erste der Tulis-Yon. Sei willkommen.«
    Baal verneigte sich. »Ich danke dir, Agkar. Wirst du mich zu Kuang-shi bringen?«
    »Wir alle werden ihn heute sehen. Sei geduldig.«
    Agkar ging voraus und führte Baal durch ein Labyrinth aus Steinen zu einem geschützten Sandplatz, hinter dem ein Spalt aufklaffte, der tief in die Felsen hineinzuführen schien. Rund zwanzig Tulis-Yon hockten nackt im Sand und ließen sich von einem dicken Asiaten die Köpfe rasieren. Seine Aura verriet ihn ebenfalls als Tulis-Yon, seine Körperhaltung deutete jedoch auf eine untergeordnete Rolle hin.
    »Geh zu ihnen«, sagte Agkar. »Sie werden dich auf alles vorbereiten.«
    Baal verneigte sich respektvoll und beobachtete, wie der Erste der Tulis-Yon in der Spalte verschwand. Erst dann ging er zu der Gruppe und hockte sich neben einen jungen Mann, der dabei war, seinen Körper mit Farbe zu beschmieren.
    »Mein Name ist
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