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0724 - Vampirträume

0724 - Vampirträume

Titel: 0724 - Vampirträume
Autoren: Claudia Kern
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unfehlbar. Ihr Körper, der noch am Nachmittag keine Meile ohne eine Pause hätte zurücklegen können, bewegte sich kraftvoll und ohne Erschöpfung. Die Gier nach Drogen war ebenso vergangen wie die Erinnerung an angstdurchwachte Nächte. Hope fühlte sich stark, ausdauernd und unsterblich. Sie war Tulis-Yon.
    Noch nie hatte sie das Wort gehört, und doch wusste Hope seit dem Moment ihrer zweiten Geburt, zu welchem Volk sie jetzt gehörte. Ihre Gedanken wandten sich dem Detective zu, der neben ihrem Bett gestanden hatte. Er war nett zu ihr gewesen, und deshalb hatte sie ihm das Geschenk, Tulis-Yon zu sein, geben wollen. Doch er wollte es nicht.
    Hope machte ihm keinen Vorwurf, dachte lächelnd daran, dass auch sie sich gewehrt hatte. Wenn der Befehl nicht gekommen wäre, hätte sie ihn bestimmt noch beschenkt, aber jetzt gab es wichtigere Dinge. Kuang-shi rief nach ihr und jede Faser ihres Seins zog sie zu ihm.
    Sie hatte seine Stimme gehört, nur dieses eine Wort, doch es reichte aus, um sie mit Glückseligkeit zu erfüllen.
    Komm, hatte er geflüstert, nicht Vater, nicht Geliebter, nur Gott.
    Also lief sie ihm entgegen, wie besessen von dem Gedanken, in sein Gesicht blicken zu dürfen.
    Die dunkle, riesenhafte Gestalt bemerkte Hope erst, als eine Hand sie zurückriss. Knurrend schlug sie auf Asphalt und kam direkt wieder hoch. Ihr Kopf wurde zum Wolfsschädel, ihr Körper duckte sich zum Angriff.
    Die Gestalt war nicht mehr als ein blauschwarzer Schatten, der die Gasse blockierte und zwischen Hope und ihrem Herrn stand. An ihr musste sie vorbei, um den Befehl zu befolgen. Ohne nachzudenken griff Hope an. Sie sprang aus dem Stand, die Finger zu Klauen gekrümmt, die Schnauze vorgestreckt. Der Schatten wich ihr mit unmenschlicher Schnelligkeit aus. Seine Arme packten Hope und pressten sie an einen eiskalten Körper. Sie schnappte nach ihm, trat und kratzte, aber der Schatten hielt sie ungerührt fest, als könne er den Schmerz nicht spüren.
    Und dann kam die Hitze. Zuerst war es nur ein warmer Wind, der über ihren Kopf strich und den sie kaum bemerkte, doch innerhalb von Sekunden wurde daraus ein Feuersturm. Die Luft kroch wie flüssige Lava in ihre Lungen, verätzte ihre Kehle und ließ die Haut Blasen werfen. Immer noch an den fremden Körper gepresst, krächzte Hope ihren Schmerz hinaus.
    Als ihre Kleidung zu brennen begann, wusste sie, dass es keine Hoffnung mehr gab. Eine Endlosigkeit später starb Hope - zum zweiten und letzten Mal.
    ***
    Obwohl O’Neill vorher angerufen hafte, musste er drei Mal klingeln, bis Obadiah Rutherford die Tür öffnete. Seine Augen waren schlafverquollen und er war nur mit Boxershorts bekleidet.
    »Scheiße«, sagte er zur Begrüßung. »Ich dachte, ich hätte deinen Anruf geträumt. Weißt du überhaupt, wie spät es ist?«
    O'Neill schob sich an ihm vorbei ins Wohnzimmer des kleinen Appartements, das so ordentlich und steril wie ein Ausstellungsstück in einem Möbelhaus wirkte.
    »Obadiah, ich brauche deine Hilfe. Ein Typ im Revier hat mir erzählt, dass du Waffen sammelst. Stimmt das?«
    »Kann das nicht bis morgen warten, Jack? Ich…«
    »Kann es nicht!« O'Neill legte sämtliche Autorität, die er aufbringen konnte, in seine Stimme. »Detective Sergeant, beantworten Sie meine Frage. Sammeln Sie Waffen?«
    »Ja, Sir.« Der Tonfall zeigte anscheinend Wirkung.
    »Können Sie noch heute Nacht einen Flammenwerfer besorgen?«
    Obadiah wirkte überrascht, beinahe schockiert. »Was zur Hölle willst du mit einem Flammenwerfer, Jack?«
    O'Neill antwortete nicht, sondern starrte ihn nur so lange an, bis Obadiah sich räusperte und fortfuhr. »Vielleicht kann ich einen Flammenwerfer besorgen, Sir. Ich müsste einige Leute anrufen.«
    »Dann tun Sie das, Sergeant.«
    »Ja, Sir.«
    Mit steifen, militärisch wirkenden Schritten verschwand Obadiah im Nebenzimmer. Kurz darauf hörte O’Neill ihn am Telefon mit jemandem reden. Er atmete tief durch, erleichtert darüber, dass Obadiah seine Autorität nicht infrage stellte. Während der Fahrt hatte er erwogen, ihm die Wahrheit über Hope und die Tulis-Yon zu erzählen, war aber schließlich von der Idee abgekommen. Er hatte keine Zeit für lange Diskussionen.
    Das Ungeheuer, das einmal Hope gewesen war, lief frei in der Stadt herum, und wenn sein Verdacht stimmte, war sie unterwegs zum Strand. Dort hatte sie sich als Lebende immer aufgehalten, dort kannte sie jeden Schlupfwinkel und dort wusste sie, wo sich die Beute versteckte.
    Er
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