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0720 - Zwei Verdammte aus Aibon

0720 - Zwei Verdammte aus Aibon

Titel: 0720 - Zwei Verdammte aus Aibon
Autoren: Jason Dark
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allmählich aus ihrem Kopf, die Müdigkeit verschwand, sie fühlte sich wieder etwas besser.
    Jessica nahm sich vor, trotzdem ins Bett zu gehen. Vorher aber wollte sie noch nach unten gehen, wo das Telefon stand, und versuchen, John Sinclair zu erreichen.
    Sie schloß das Fenster wieder. Es war noch nicht ganz zu, da zuckte sie zusammen.
    Sie hatte eine Bewegung gesehen - oder nicht?
    Hastig zerrte sie es wieder auf, beugte sie abermals nach vorn, blickte auf die Straße, auch auf den Schatten am Rinnstein, aber jetzt sah sie nichts mehr.
    Komisch…
    Hatten ihr die überreizten Nerven einen Streich gespielt? Sah sie schon Gespenster?
    Möglich war alles. Etwa eine halbe Minute hielt sie es noch aus, dann schloß sie das Fenster wieder und machte sich auf den Weg nach unten. So leise wie möglich schlich sie die Stufen der Treppe hinab. Sie wollte den McGuires am nächsten Morgen von ihrem Anruf nach London berichten.
    Das Telefon stand nicht weit von der Haustür der kleinen Pension entfernt. Wenn Jessica den Arm ausstreckte, konnte sie das große Holz berühren.
    Sie hielt den Hörer schon in der Hand, lauschte dem ihr überlaut vorkommenden Freizeichen, als sie ein anderes Geräusch förmlich elektrisierte. Es war an der Tür aufgeklungen, von außen her, und es hatte sich wie ein Kratzen angehört.
    Jessica erstarrte.
    Sekundenlang blieb sie in dieser Haltung. Vergessen war das Telefonat, die Hand mit dem Hörer sank langsam nach unten. Das Freizeichen erstarb, Stille kehrte ein, in der das Kratzen wesentlich lauter klang als beim erstenmal.
    Jessica Long bekam eine Gänsehaut. Wie ein feiner Schleier fuhr sie über ihren Rücken hinweg.
    Nur sie hatte das Geräusch gehört, die McGuires lagen längst in den Betten.
    Was sollte sie tun? Die Tür öffnen oder die Laute ignorieren? Und wer stand dort draußen und kratzte? Sie glaubte nicht daran, daß es ein Mensch war, es konnte ebensogut ein Tier sein. Ein Hund oder eine Katze. Doch die gab es angeblich nicht mehr in diesem Kaff. Oder war noch eins zurückgeblieben?
    Das Kratzen blieb, und dazwischen erklang ein anderes Geräusch. Ein Winseln. Das konnte nur ein Hund ausgestoßen haben.
    Ein Hund, der Druck verspürte, der sicherlich in einer tiefen Angst steckte.
    Jessica Long gehörte zu den Menschen, die Tiere mochte. Sie konnte es einfach nicht übers Herz bringen, das Tier dort vor der Tür leiden zu lassen. Da mußte sie einfach etwas tun, auch wenn sie das »Draußen« als feindliches Gelände ansah.
    Das Kratzen verstärkte sich, das Winseln ebenfalls. Sie griff zur Klinke. In diesem Ort verschloß man die Türen nicht. So war es einmal gewesen, doch seit einiger Zeit wurden die Schlüssel wieder herumgedreht, weil das, was da draußen lauerte, sich keinen Eintritt in die Häuser verschaffen sollte.
    Jessica schloß auf. Zweimal drehte sie den Schlüssel herum, so verlor sie etwas Zeit.
    Wieder jaulte der Hund…
    Die Tür war offen, sie drückte die Klinke, zog sie ziemlich schnell auf und rechnete damit, einen Hund zu sehen.
    Den sah sie auch.
    Nur anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Aus dem Dunkel der Nacht war ein Mensch wie ein Monster aufgetaucht, der geduckt direkt vor der Tür stand und den Hund, eine Promenadenmischung, mit beiden Händen umklammert hielt. Das Maul des Tieres war weit aufgerissen, der Mund des Menschen ebenfalls. Der aufgerissene Mund schwebte dicht über dem Hundenacken, als wollte er jeden Augenblick seine Zähne in Fell und Fleisch hineinschlagen…
    ***
    »Nein, nicht!«
    Spontan waren diese beiden Worte über die Lippen der Künstlerin geflossen, denn sie hatte mit einem Blick erfaßt, was hier vor sich ging.
    Der Mann zögerte. Nicht der Hund knurrte, sondern er, und es hörte sich an wie bei einem Tier.
    Er hob den Kopf.
    Sie sah das Gesicht.
    War es ein Kunstschädel, eine Fratze, das Zerrbild eines Menschen? Er trug nur Lumpen, und auf dem Schädel wuchs kein einziges Haar. Dafür war er mit Pocken und Narben ebenso überwuchert wie das gesamte Gesicht, das einen stumpfen Ausdruck zeigt. Hinzu kam der breite Mund, mehr ein Maul, das tiefe Wunden in den Tierkörper reißen konnte, wenn diese Gestalt zubiß.
    Beide starrten einander an.
    Jessica schauderte zusammen, denn sie sah, das die Augen des Wesens keine Pupillen aufwiesen, sie waren einzig und allein von einer kalten, gelben Fläche ausgefüllt.
    Augen wie kalte Laternen, die das Böse persönlich angezündet hatte. Die Zeit schien nicht mehr weiterzulaufen.
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