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0720 - Teufelsnächte

0720 - Teufelsnächte

Titel: 0720 - Teufelsnächte
Autoren: Claudia Kern
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wäre es hilfreich, wenn ich mir den letzten Tatort ansehen könnte.«
    Kathy zog den Wagen wortlos über drei Spuren bis ganz nach links und bremste heftig ab, bevor sie in die Ausfahrt einbog. Zamorra hörte, wie die Umschläge in den Fußraum fielen und hielt sich instinktiv am Armaturenbrett fest, als der Ford um eine scharfe Kurve schlitterte und mit einem Ruck, der auch die letzten Umschläge vom Rücksitz fegte, vor einer Ampel zum Stehen kam.
    »Wir mussten hier abfahren, alles andere wäre ein Umweg«, sagte Kathy wie zur Entschuldigung und Zamorra verzichtete darauf, ihr zu erklären, dass Umwege, im Gegensatz zu Bremsmanövern auf schneeglatter Straße, selten im Graben endeten. Stattdessen betrachtete er die Stadt, die sich vor ihm unter tief hängenden Wolken erstreckte. Manchester war mit Sicherheit nicht die schönste Stadt Englands, strahlte jedoch eine Dynamik aus, die durch das merkwürdige Gemisch aus alten viktorianischen Bauten und modernen Glaspalästen unterstrichen wurde. Zusammen mit Liverpool und Leeds bildete sie den Industriegürtel Nordenglands und war außerdem die Heimat des reichsten Fußballclubs der Insel, Manchester United.
    Kathy steuerte den Wagen trotz des dichten Verkehrs mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Innenstadt zu, bog rechts ab, wo es durch Schilder und Straßenmarkierungen strikt verboten war, nahm einer Straßenbahn die Vorfahrt, ignorierte das wütende Klingeln des Fahrers und stoppte vor einer schmalen Sackgasse - im Halteverbot.
    »Dort hinten ist es passiert«, sagte sie. »Sehen Sie sich ruhig um, ich bleibe solange im Wagen.«
    Zamorra nickte und stieg erleichtert aus. Kathys Fahrstil erinnerte eher an pakistanische Taxifahrer in Islamabad als an eine Polizistin in Nordengland, aber zumindest hatten sie das erste Etappenziel lebend erreicht. Den Gedanken an die Fahrt ins Hotel verdrängte er noch.
    Die Gasse lag wie ausgestorben vor ihm. Frisch gefallener Schnee bedeckte den Boden und eine halb verrostete Klimaanlage, die aus einem blinden Fenster ragte. Es war kein Müll zu sehen und Zamorra nahm an, dass die Spurensicherung alles zur Untersuchung abtransportiert hatte.
    Er sah sich kurz um, dann zog er das Amulett unter der Jacke hervor und versetzte sich in Halbtrance. Mit leichtem Fingerdruck verschob er die rätselhaften Hieroglyphen, die am Rand der handtellergroßen Silberscheibe angeordnet waren. Sie glitten sofort darauf von selbst in ihre vorherige Position zurück und erschienen scheinbar absolut fest, hatten aber eine Veränderung ausgelöst - in der Mitte des Amuletts zeigte sich anstelle des stilisierten Drudenfußes eine Art Miniatur-Bildschirm, der die Gasse zeigte.
    Zamorra betrachtete die Ereignisse mit »Schnellrücklauf«. Die Szene zeigte sich dabei wie ein rückwärtslaufender Film: Die Spurensicherung, das vergehende Tageslicht, die ersten Beamten, die man zum Tatort gerufen hatte und einen Asiaten, der gerade eine alte Autobatterie zwischen schwarzen Müllsäcken abstellen wollte und die Leiche bemerkte. Dann blieb es ruhig. Nur der schrecklich entstellte und mit Kritzeleien bedeckte Frauenkörper lag still in der Gasse. Zamorra zwang sich dazu, ihn zu betrachten, bevor er die Darstellung weiter zurücklaufen ließ.
    Plötzlich hockte eine Gestalt über der Leiche und hieb wie irrsinnig auf den Körper ein. Zamorra wartete noch einen Moment, dann stoppte er den Rücklauf. Er sah die leere Gasse, dann eine junge Frau im langen Mantel, die in die Gasse stolperte. Sie musste bemerken, dass sie in der Falle saß, denn sie schrie lautlos. Im nächsten Moment wurde sie von hinten gepackt und auf den nass glänzenden Boden geschleudert. Jemand in schwarzer Kleidung, der eine Skimaske trug, warf sich auf sie, schlug ihr ins Gesicht, bis sie sich nicht mehr bewegte und riss ihren Brustkorb mit einem Fleischerhaken auf.
    Zamorra hielt das Bild an. Er wusste, wie die Tat geendet hatte und musste sich nicht den ganzen Verlauf ansehen. Stattdessen »zoomte« er den Täter näher heran, vergrößerte ihn, bis nur noch sein Gesicht den Bildschirm ausfüllte.
    Wer bist du?, fragte sich Zamorra, als er in die trüben, hellblauen Augen des Täters sah. Der Rest des Kopfes war abgesehen von dem halb geöffneten Mund unter der Skimaske nicht zu erkennen. Sein Körper wirkte kräftig und er schien noch recht jung zu sein, wenn die fehlenden Falten um seine Augen ein Indiz dafür waren.
    Zamorras Blick kehrte zum Mund des Täters zurück, dessen Lippen ein
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