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0720 - Teufelsnächte

0720 - Teufelsnächte

Titel: 0720 - Teufelsnächte
Autoren: Claudia Kern
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versammelten. Debbie und Rachel standen dicht zusammen, Kenneth starrte mit angespanntem Gesicht ms Nichts, und Timble war so betrunken, dass er sich an den Griffen des Rollstuhls festhalten musste.
    Ian konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal nüchtern zu einem Ritual erschienen war.
    »Wo ist Johnny?«, fragte er in die kleine Gruppe. Timble hob nur die Schultern und auch die anderen schienen nichts zu wissen.
    »Vielleicht hat er das Geld nicht«, sagte Rachel. »Was wird Lugosi wohl mit ihm machen?«
    »Ihn umbringen«, Debbies Stimme klang hart. »Und uns bestrafen, um ein Exempel zu setzen. Er…«
    Ein Glockenschlag, der aus allen Richtungen zugleich kam, unterbrach sie. Nebel wallte plötzlich auf und hüllte sie ein. Die Umgebung versank hinter einem grauen Schleier, der Ian von den anderen trennte, bis der Schein ihrer Kerzen nicht mehr war als ein verwaschener heller Fleck.
    Der Nebel schmeckte bitter auf seiner Zunge. Er wusste, dass er künstlich war, wusste ebenso, dass der Glockenschlag von einer CD stammte und die einsetzende Musik nur Bela Lugosi's Dead war und keine Gefahr bedeutete.
    Trotzdem wiederholte sich der Effekt so wie jedes Jahr. Die Musik riss ihn in die Vergangenheit, machte aus einem erwachsenen Mann einen Teenager, der gerade sah, wie ein anderer zum Spielball übersinnlicher Mächte wurde. Erneut spürte er die Panik, die Erkenntnis, etwas zu beobachten, was es nicht geben durfte, und die Resignation, nichts daran ändern zu können.
    Der Nebel hob sich langsam, wurde vom Wind in Fetzen davongetragen. Wie hingezaubert schwebten zwei Gestalten in schwarzen Mänteln über dem Grabstein von Henry »Black Devil« Wilson - Lugosi und seine namenlose Begleiterin.
    Wie immer blieb sie im Hintergrund, während er nach vorne schwebte und die Arme ausstreckte.
    »Willkommen, Kinder des Satans!«, rief er.
    »Willkommen, Meister«, gab Ian zusammen mit den anderen zurück.
    Er kniete nieder, wie es von ihm erwartet wurde. Seine Knie waren weich, sodass er ohnehin zu nichts anderem in der Lage gewesen wäre. Noch nie in seinem Leben hatte er eine solche Angst gehabt und sich gleichzeitig so frei gefühlt. Egal, was in den nächsten Minuten passierte, er hatte die Gefängnismauern, die Lugosi in seinem Kopf gebaut hatte, überwunden. Und dafür lohnte es sich sogar zu sterben.
    ***
    Zamorra konnte kaum glauben, was er gerade beobachtete.
    Der Nebel, die Geräuscheffekte, die Musik und dann das Auftauchen der schwebenden Gestalten, das alles war durchaus beeindruckend - zumindest für einen drittklassigen Bühnenzauberer, der irgendwann einmal einen schlechten Horrorfilm gesehen hatte. Wäre er nicht selbst Opfer ihrer telekinetischen Fähigkeiten gewesen, er hätte einen simplen Betrug vermutet.
    Und doch haben sie diese Leute in eine solche Verzweiflung getrieben, dass einer gemordet hat, dachte er, während er wie die anderen - abgesehen von Kenneth, der nur den Kopf senkte - auf der kalten Erde kniete. Ob sie das wohl wissen?
    »Das Jahr ist vorüber, meine Kinder«, sagte der schwebende Mann, den Zamorra für Lugosi hielt. Er hatte eine tiefe, angenehm klingende Stimme und betonte die Worte sorgfältig, wie es nur Menschen taten, die sich in einer Fremdsprache ausdrückten. »Ich bin sicher, dass ihr Satan, eurem Herrn, viel Ehre erwiesen habt, und doch sehe ich, dass einer unter euch fehlt. Das ist ein Frevel, der bestraft werden muss.«
    »Aber doch nicht an uns, Meister!«, rief eine weibliche Stimme. »Wir haben dir doch immer treu gedient. Johnny ist der Verräter.«
    Lugosi erreichte den Boden. Wie ein König ging er an seinen knienden Untertanen vorbei.
    »Nein«, sagte er nach einer langen Pause, »ich werde euch dafür nicht bestrafen. Im Gegenteil, ich werde euch für eure Hingabe belohnen, doch dazu erzähle ich euch später mehr.«
    Zamorra hob leicht den Kopf und schätzte seinen Aktionsradius ab. Lugosi stand keinen Meter von ihm entfernt. Ihn konnte er leicht erreichen und vermutlich sogar mit einem Schlag betäuben, bevor er seine Kräfte einsetzte. Das Problem war nur seine Begleiterin, die er von der Begegnung vor seinem Hotelzimmer wiedererkannte. Sie schwebte immer noch und war vom Boden aus kaum zu erreichen. Er hoffte, dass sie dort nicht blieb, sonst war ein Angriff zu gefährlich.
    »Und nun, meine Kinder«, sagte Lugosi, »möchte ich, dass ihr gebt, was mir laut unseres Paktes zusteht. Debbie?«
    »Ja, Meister.«
    Zamorra erkannte die Stimme wieder.
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