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072 - Die Schlangengöttin

072 - Die Schlangengöttin

Titel: 072 - Die Schlangengöttin
Autoren: Dämonenkiller
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auf den Felsboden und blieb reglos liegen.
    Pablo Agual zog mich am Ärmel. „Wir müssen fort von hier, Michele. Eine solche Gelegenheit bekommen wir nicht wieder."
    Ich schaute immer noch auf Alraunes Gesicht. Nur ihr Kopf sah jetzt noch aus dem weich gewordenen Boden hervor. Ihre Züge waren zu einer Grimasse der Qual und der ohnmächtigen Wut und Verzweiflung erstarrt.
    Die Frauenstimme Ophits aber lachte gellend.
    „Hinab mit dir!" schrie sie immer wieder. „In die Unterwelt! Hinab, hinab!"
    Ich packte meinen Bruder Marino unter dem rechten Arm, Pablo faßte unter seinen linken. Wir hoben ihn hoch. Wie die anderen Ophiten war Marino erstarrt. Auch die vielen Schlangen hatten zu zischen aufgehört. Aller Augen waren der Riesenschlange mit der Regenbogenhaut zugewandt, die von stinkenden Dämpfen umweht wurde.
    Wir schleppten Marino mit uns. Die Gruppe der Ophiten, die seitlich von uns stand, beachtete uns überhaupt nicht. Wir traten in einen der zahlreichen Höhlengänge.
    Ein letzter Blick zurück zeigte mir noch einen Schimmer von Selva Farsettis rotem Haar. Dann gellte ein Klagelaut durch die Riesenhöhle und verhallte in dunkler Tiefe.
    „Sie stürzt hinab!" jubelte die Frauenstimme.
    Alraune tat mir trotz allem leid. Aber an sie konnte ich jetzt nicht denken, denn Ophit bemerkte nun, daß wir auf der Flucht waren. Die Ophiten erwachten aus ihrer Starre, und die zahllosen Reptilien schlängelten und wanden sich wieder.
    Wir liefen durch das im Zwielicht liegende Höhlenlabyrinth. Marino erwachte wie aus einem tiefen Schlummer. Er sah sich verständnislos um, erkannte uns und lief mit.
    „Wie sollen wir jemals den Ausgang finden?" fragte ich Pablo.
    „Überlaß das nur mir!" sagte er. „Ich habe Zeichen hinterlassen."
    Der Baske war tatsächlich vorausschauend genug gewesen, an den Abzweigungen Silberkugeln, Stoffstückchen und andere Sachen zu hinterlassen. Voller Schreck entsann ich mich jedoch, daß wir lange im Berg umhergeirrt waren.
    So konnten wir der Großen Schlange und ihren Anhängern und Reptilien nicht entkommen. Ich sagte es Pablo.
    „Das ist wahr", rief er. „Aber was sollen wir sonst tun? Wir müssen kämpfen, wenn der Schlangendämon und sein Gefolge uns einholen. Wir müssen uns bis zum Ausgang durchschlagen."
    „Das ist unmöglich, Pablo. Wir müssen auf gut Glück nach einem anderen Ausgang zu suchen. Es gibt viele Höhlen im Hephaistos-Berg. Vielleicht sind ein paar mit dem Labyrinth verbunden. Wir haben auch keine Gewißheit, daß der Zugang zu der Höhle des blinden Nathan noch offen ist." Diesen Argumenten hatte Pablo nichts entgegenzusetzen. Wir liefen jetzt in die Richtung, in der wir einen Ausgang vermuteten, ohne seine Zeichen weiter zu beachten. Marino folgte uns willig. Er murmelte wirre, unzusammenhängende Sätze. Wir gerieten ein paarmal in Sackgänge, und einmal liefen wir im Kreis. Manchmal hörten wir das Gebrüll der Ophiten oder das Zischen der Großen Schlange. Wir konnten nie genau sagen, woher der Lärm kam; es ließ sich wegen der Akustik in diesem Höhlensystem nicht ausmachen.
    Es war eine hektische Flucht, bei der uns das Grauen und die Todesangst ständig im Nacken saßen. Dann sahen wir endlich einen helleren Lichtschimmer vor uns.
    Wir liefen darauf zu und erreichten einen Spalt am Ende eines Höhlenganges. Auf der anderen Seite hörten wir Stimmen. Ich zwängte mich als erster durch den Spalt und zog Marino nach. Pablo Agual folgte. Der Spalt war immerhin breit genug, daß der Baske ohne Schwierigkeiten hindurchkam.
    Wir traten in eine außen am Berg gelegene Felsenhöhle. Es war Tag und hell in der Höhle. Eine Familie saß um ein Feuer und frühstückte. Es waren sechs Personen; drei davon waren Kinder. Es mußten Vertriebene oder Zigeuner sein. Sie sahen uns mit aufgerissenen Mündern an.
    „Seid ihr Geister oder Dämonen, daß Ihr aus der nackten Felswand tretet?" fragte der Vater - ein kräftiger, untersetzter Mann mit einem gezwirbelten Schnurrbart - auf griechisch. „Gehört ihr zu den Schlangenanbetern?"
    Ich drehte mich um und sah, daß kein Spalt mehr in der Felswand war. Mir schwante sofort Übles. Ophit hatte gewollt, daß wir hier aus dem Labyrinth gelangten. Vielleicht hatte der Dämon unsere Schritte sogar magisch beeinflußt und hierher gelenkt, und sicher nicht, um uns ungeschoren entkommen zu lassen.
    Während ich noch hinsah, kam auch schon etwas durch die Felswand. Es war regenbogenfarben, aber die Große Schlange war es nicht.
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