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0718 - Das Dorf der Toten

0718 - Das Dorf der Toten

Titel: 0718 - Das Dorf der Toten
Autoren: Adrian Doyle und Timothy Stahl
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mit Marmoraugen.
    Wo waren die anderen? Die normalen Bewohner von Elkhart? Verschanzten sie sich hinter den Wänden ihrer Häuser? Standen sie feige, aber neugierig hinter ihren Fenstern - oder einfach nur teilnahmslos?
    Was war mit Farnsworth? Hatte man ihn nicht begraben? Und all die namenlosen Kreuze auf dem Friedhof? Fremde, die das Pech hatten, zu lange in Elkhart zu weilen, zu neugierig zu sein? Waren auch sie umgebracht und verscharrt worden?
    Hinter Zamorras Stirn tobte das Gedanken-Tohuwabohu, während sie sich unaufhaltsam der Platzmitte mit dem Monument näherten. Dem Siegel, wie Karl es genannt hatte.
    »Warum Siegel?«, wisperte Zamorra dem alten Jungen zu.
    Karl flüsterte zurück: »Mein Bruder erwähnte den Begriff vor vielen Jahren einmal. Was er bedeutet, weiß ich nicht.«
    Zamorra kniff enttäuscht die Lippen zusammen. Irgendwo hinter ihm wurde Nicole vom Strom der ›Erweckten‹ mitgerissen, eine Klinge am Hals.
    Was soll ich tun?
    Die Situation machte ihn schier rasend. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt. Was erwartete der ältere der Nestor-Brüder von ihm? Wozu sollte Zamorra den Dhyarra für ihn einsetzen?
    Noch war darüber kein Wort gefallen. Stattdessen hatte der Totenerwecker den Befehl gegeben, zum Dorfplatz aufzubrechen.
    Es dämmerte, als sie das Monument erreichten. Die Sonne versank hinter den Wipfeln der Bäume. Schatten griffen nach Elkhart. Zamorra fröstelte, drehte sich um, suchte nach Nicole.
    Stattdessen fand er eine Frau neben dem Mann stehen, der jetzt das Amulett trug - ohne dass das Amulett etwas dagegen unternahm.
    »Ist sie das?«, wandte sich Zamorra an Karl.
    »Ja. Das ist Alma.«
    Zamorra musterte das Paar, mit dem alles begonnen haben sollte. Alma trug ihr dunkles Haar zu einem strengen Knoten zusammengefasst. Ihre Kleidung war schlicht wie die aller Elkharter. Sie hatte Augen wie Karl und viele andere. Aber sie war - tot.
    Bei ihr spürte Zamorra überdeutlich, was ihm bei Karl nicht auffiel. Selten hatte er einen Menschen betrachtet, von dem keinerlei Charisma - überhaupt nichts - ausging.
    Und wenn er den Blick über die Menge schweifen ließ, die sich jetzt langsam im Kreis um das Denkmal herum aufstellte, dann wurde ihm klar, dass nicht sie die Ausnahme war, sondern Karl.
    Entweder war bei seiner Erweckung tatsächlich etwas schiefgegangen - oder sie war als einzige geglückt.
    Zamorras Aufmerksamkeit wurde auf Nicole gelenkt, die neben Nestor getrieben wurde. Ihre Augen suchten den Kontakt zu Zamorra. Er versuchte, ihr Mut zu machen, nickte ihr aufmunternd zu. Aber er spürte ihre Angst, die verständlich war und nicht wich.
    »Geh!«, sagte der Herr des Dorfes. Er wies auf das Monument, das anzuschauen Zamorra die ganze Zeit vermieden hatte.
    Nach eigener Aussage sah Karl sich selbst darin. Jeder Erweckte sah sich darin abgebildet? Auch dies ein Mysterium…
    »Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst«, drohte Zamorra und hob die geballte Faust.
    »Geh!«, wiederholte der bleiche Mann ungerührt.
    Wenige Schritte trennten Zamorra von dem Denkmal. Was werde ich sehen, wenn ich es jetzt anschaue?, dachte er und drehte sich um.
    Doch statt des erwarteten, lebensecht nachgebildeten Gesichts seines seit Jahren toten Freundes Bill Fleming, sah er - nichts.
    Nichts jedenfalls, was sein Gehirn erkannt hätte.
    Eine merkwürdige Erfahrung war das, die neues Schwindelgefühl in ihm auslöste. Zamorra wusste, dass er etwas sah. Aber der Sinnesreiz erreichte sein Gehirn offenbar nicht. Was es auch war, Zamorra konnte es nicht erfassen.
    Als sei es ihm nicht erlaubt, die wahre Gestalt dessen zu erblicken, was sie in der Nacht zuvor für ein Denkmal gehalten hatten.
    Das Siegel, raunzte es durch seinen von plötzlichem bohrendem Schmerz vernebelten Verstand.
    Was immer darunter zu verstehen war, der ältere Nestor-Bruder schien es zu wissen. Er war der Schlüssel zu diesem ominösen Siegel…
    »Stell dich mit dem Rücken dagegen! Berühre es!«
    Zamorra gehorchte fast mechanisch. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Monument seinen Willen betäubte. Er versuchte, dagegen anzukämpfen, aber…
    »Und dann?«, hörte er sich krächzen.
    »Tu es!«
    Seine Umgebung verschwamm vor seinen Augen. »Du bist wahnsinnig«, hörte er noch Karl den Bruder anfeinden. Dann vollzog sein Körper den Befehl, den er erhalten hatte. Zamorra fühlte einen Widerstand in seinem Rücken. Er wollte es nicht, aber er drückte sich gegen das Siegel.
    Er war nicht einmal mehr in der Lage,
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