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0709 - Märchenfluch

0709 - Märchenfluch

Titel: 0709 - Märchenfluch
Autoren: Timothy Stahl
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Eindringlings, teils unter den Tritten und drängenden Bewegungen der panisch blökenden Herde.
    Parmalee fühlte sich wie betäubt. Er konnte nur dastehen und das Gemetzel mit ansehen, war unfähig, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Seine Schrotflinte schien er völlig vergessen zu haben.
    Erst als das blutrünstige Ungeheuer von einem Wolf in seinem Wüten innehielt und den Blick seiner glühenden Lichter auf ihn richtete, kam Parmalee wieder zu sich.
    Zwei oder drei Sekunden lang starrte ihn der Wolf an, auf eine Weise, die Parmalee schaudern machte. Irgendetwas in den rot funkelnden Augen des Tiers, in seiner - so unmöglich es auch sein mochte - Mimik entsetzte den Farmer beinahe mehr als das Blutbad, dass der Wolf angerichtet hatte. Parmalee meinte etwas wie Verschlagenheit in diesem Ausdruck zu lesen, in jedem Falle etwas, über das kein Tier, ob Wolf oder was auch immer, verfügen konnte.
    Endlich besann er sich der Waffe in seinen Händen. Im Hochreißen entsicherte er sie, genau in dem Moment, da sich auch der Wolf zum Angriff entschloss. Das Tier sprang nicht mit einem einzigen Satz auf ihn zu, sondern kam langsam näher, Schritt um Schritt, lauernd.
    Parmalee legte an, drückte ab. Ein fußlanger Feuerpfeil stach in Richtung des Wolfes.
    Schrot prasselte ihm in den Pelz.
    Das Tier brüllte auf, heulend vor Schmerz und Wut. Es duckte sich unter der Wucht des Treffers, nutzte die Bewegung aber zugleich, um nun doch zum Sprung anzusetzen.
    Der Wolf erreichte Parmalee, bevor er die zweite Ladung abfeuern konnte, und stieß ihn hintenüber zu Boden. Noch im Aufprall schnappte das Maul des Wolfs um seine linke Schulter zu. Zähne gruben sich tief hinein, zerfetzten Fleisch und Sehnen, zermalmten den Knochen.
    Trotzdem schaffte es Parmalee irgendwie und unter irrsinnigen Schmerzen, die ihm fast die Sinne raubten, das Gewehr hochzureißen und quer unter den Hals des Angreifers zu rammen. Mit einem Stoß, den er sich schon nicht mehr zugetraut hatte, stemmte er den Wolf von sich.
    Krallen wie winzige sichelförmige Dolche rasten auf sein Gesicht zu. Parmalee drehte den Kopf weg, trotzdem erwischten ihn die Klauen noch und gruben feurige Furchen über seine Schläfe und Wange.
    Fänge wühlten sich in sein rechtes Handgelenk. Er hörte, wie die Knochen zersplitterten und -die Flinte zu Boden fiel. Aber immer noch verfügte er über genug Willenskraft, um sich diesem grausamen Schicksal nicht einfach zu ergeben.
    Mühsam kämpfte er sich auf die Beine hoch. Es schien, als ließe ihn die Bestie gewähren, und sei es nur, um sich an der Qual ihres Opfers zu weiden. Noch im selben Moment wurde sich Parmalee der Absurdität dieser Annahme bewusst. Herr im Himmel! Er dichtete diesem Monster tatsächlich schon menschliche Eigenschaften an, wenn auch von der niedersten Art.
    Parmalee vermied es, seine zerfleischte Rechte anzusehen, biss die Zähne zusammen und machte einen taumelnden Schritt in Richtung der Tür zum Schuppenanbau.
    Diesen einen Schritt ließ ihn die Bestie tun. Dann…
    Er wusste kaum, wie ihm geschah. Irgendetwas traf ihn mit einer Wucht, die ihn förmlich aushob und zur Seite schleuderte. Er schlug gegen die Bretterwand des Stalls. Das Holz gab nach, barst, und Parmalee landete draußen im Pferch, in einem Schauer aus Splittern und zerbrochenen Holzlatten.
    Er fiel so unglücklich, dass sich die zahnige Spitze einer dieser Latten durch seine Kehle bohrte.
    Welch eine Ironie, dass er daran sterben sollte und nicht durch die Zähne des Wolfes!, ging es ihm durch den Sinn, während ihm Blut in Mund und Lungen drang und allmählich den Atem erstickte.
    Der Wolf kam.
    Parmalee hörte ihn schnüffeln und tief in der Kehle knurren. Der Schädel des Tieres tauchte über ihm auf. Er sah noch einmal in diese glühenden Augen und spürte den Atem aus dem schrecklichen Maul wie warmen Wind in seinem Gesicht.
    Aber irgendetwas daran war sonderbar. Er roch seltsam, nicht so, wie der Atem eines Raubtiers riechen musste. Parmalee nahm zwar den typischen Blutgeruch wie von altem Kupfer wahr, aber er wurde von etwas anderem fast gänzlich überlagert.
    Während er das Gefühl hatte, im Erdboden zu versinken, als würde er ohne Sarg ins Grab hinabgelassen, entfernte sich der Wolf ohne Hast.
    Hoffentlich, raffte sich Carl Parmalee zu einem allerletzten Gedanken auf, hat Gale nichts gehört - hoffentlich- schläft sie noch und bleibt im Haus…
    Und mit dieser Hoffnung starb er.
    ***
    Professor Zamorra und Nicole Duval
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