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07 - Old Surehand I

07 - Old Surehand I

Titel: 07 - Old Surehand I
Autoren: Karl May
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Erst nach Mitternacht machten wir wieder Halt, denn die braven Tiere mußten ruhen; sie bekamen wieder eine allerdings nicht zureichende Portion Wasser; dann wurden sie angepflockt, und wir hüllten uns in unsre Decken, um zu schlafen. Kaum aber graute der Tag, so saßen wir schon wieder auf und kamen zwei Stunden später an die Stelle, wo sie Lager gemacht hatten. Wir blickten einander befriedigt an, denn wir hatten den halbtägigen Vorsprung bis auf diese zwei Stunden verkürzt, wenn sie nämlich auch erst am Morgen aufgebrochen waren.
    Wir sahen einander an; denn gesprochen wurde fast kein Wort. Winnetou war überhaupt ein sehr schweigsamer Mann, und wenn er gar einen Gedanken verfolgte, wie der unsrige war, so pflegte er noch viel weniger Worte als sonst zu machen.
    Wir hatten den Lagerplatz der neun Reiter kaum eine halbe Stunde hinter uns, so sahen wir uns gezwungen, wieder anzuhalten, denn sie hatten ihren Ritt hier unterbrochen, und die Hufeindrücke sagten uns, daß so etwas wie eine Beratung stattgefunden haben mußte. Und diese war jedenfalls eine sehr lebhafte gewesen, denn die einzelnen Reiter waren nicht still halten geblieben, sondern hatten ihre Pferde sehr beweglich hin- und hergetrieben. Das ließ uns vermuten, daß zwischen ihnen ein Streit, ein Zank ausgebrochen war. Aber worüber? Das fragten wir uns. Wahrscheinlich über den ferneren Weg, über die Richtung, die heut' eingehalten werden sollte.
    Auf diese Vermutung kamen wir dadurch, daß sich von hier aus die Spuren teilten, was uns außerordentlich unlieb sein mußte. Keine der beiden Fährten ging geradeaus; die eine bog nach rechts und die andere nach links ab, so daß sie einen spitzen Winkel bildeten.
    „Uff!“ sagte Winnetou enttäuscht. „Das ist schlimm!“
    „Allerdings schlimm“, stimmte ich bei. „Wahrscheinlich haben sich die Roten hier von den Weißen getrennt. Welche Fährte aber ist diejenige der Indianer und welche diejenige der Weißen?“
    „Wollen sehen!“
    Er stieg ab, um die Spuren zu untersuchen.
    „Ich bezweifle sehr, daß wir das sehen können“, erklärte ich, indem ich mich aus dem Sattel schwang. „Ich habe bemerkt, daß die Pferde der Weißen auch keine Eisen haben, sondern barfuß sind. Eine Unterscheidung zwischen ihnen und den andern Pferden ist also kaum möglich.“
    Leider bestätigten sich diese meine Worte; die Hufspuren gaben uns nicht den mindesten Anhalt zu einer sichern Bestimmung; wir waren auf ungewisse Vermutungen angewiesen, die uns weniger nützen als vielmehr schaden konnten.
    „Wollen den beiden Fährten eine kleine Strecke folgen“, meinte Winnetou. „Vielleicht sehen wir doch etwas. Mein Bruder mag die nach rechts nehmen; ich gehe links.“
    Wir taten das. Ich hatte nur das eine Ergebnis, daß ich die Zahl der Pferde entdeckte, und Winnetou erzielte das gleiche unzulängliche Resultat. Wir konnten nicht einmal aus dieser Zahl auf diejenige der Reiter schließen, weil Packpferde dabei waren. Wir standen da und sahen einander an.
    „Uff!“ sagte Winnetou, indem trotz der Enttäuschung, die wir fühlten, etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht glitt. „Hat mein Bruder Shatterhand mich schon einmal in dieser Weise dastehen sehen?“
    „Nein.“
    „Ich dich auch nicht. Uff!“
    „So ganz und gar nicht zu wissen, woran wir sind, das ist uns nie, noch nie passiert!“
    „Nein, noch nie! Aber denken wir nach! Sollte es wirklich möglich sein, daß weder Old Shatterhand noch Winnetou auf den richtigen Gedanken kommen?“
    „Ich möchte mich allerdings fast schämen! Also nachdenken! Das nächste Ende der Wüste liegt grad nördlich von hier, nach Helmers Home zu, und das weiß Mba, der Häuptling der Chickasaws, ganz gewiß. Mag er nach rechts oder nach links reiten, so braucht er in beiden Fällen wenigstens einen halben Tag länger, um aus dem Llano zu kommen; das weiß er auch. Ich denke nicht, daß er einen solchen Umweg macht. Oder glaubst du daran?“
    „Nein.“
    „Wenn er sich von den Weißen trennt, so hat er sich mit ihnen gezankt. Er reitet allein, weiß aber jedenfalls auch, wohin sie reiten. Dabei hat er sie über seine Richtung getäuscht, indem er von der richtigen abgewichen ist und sie sehr bald, wenn sie ihn nicht mehr sehen konnten, wieder eingeschlagen hat. Wenn wir also keiner von diesen beiden Fährten folgen, sondern geradeaus reiten, werden wir unbedingt wieder auf die seinige kommen.“
    „Uff, das ist richtig!“
    „Dann ist die andere Fährte
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