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0684 - Wald der toten Geister

0684 - Wald der toten Geister

Titel: 0684 - Wald der toten Geister
Autoren: Jason Dark
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nicht. Aber Angst ist nicht gleich Angst. Sie haben gekündigt, obgleich Sie sich doch so sicher waren. Was waren die Gründe? Doch eine tiefe Furcht?«
    »Nein!«
    »Was dann?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    Ich ließ nicht locker. »Mike, Ihr Sohn?«
    »Der ist tot.«
    »Anscheinend nicht, wenn man seine Mutter reden hört.«
    »Machen Sie hier keine Witze. Brenda spinnt. Sie hat unter dem Tod unseres Sohnes gelitten, das weiß ich. Auch mir ist er nahe gegangen, denn ich mochte ihn.«
    »Sie waren noch mit ihm zusammen - oder?«
    Er ballte die rechte Hand zur Faust. Die war ziemlich groß. Wenn er die über den Tisch schickte und mich dabei erwischte, konnte ich einpacken, aber er öffnete sie wieder. Ich sah, dass er schwitzte. Er hatte wohl bemerkt, dass ich mich nicht so leicht abschütteln und ins Bockshorn jagen ließ.
    »Nun?«
    Phil Evans trank den kalten Kaffee. Wie er ihn in den Rachen kippte, das hatte etwas Endgültiges an sich. Mit einem harten Laut stellte er die Tasse zurück. »Ja, ich war mit ihm zusammen. Sogar noch kurz vor seinem Tod.«
    »Wunderbar. Da kommen wir der Sache schon näher.«
    »Aber ich habe mit dem Unfall nichts zu tun gehabt. Das können Sie mir glauben. Das schwöre ich sogar.«
    »Bitte, davon hat niemand gesprochen. Reden wir von dem Zusammensein mit Ihrem Sohn. Was haben Sie getan? Sind Sie mit ihm wieder zusammengekommen, um…«
    »Alles Unsinn!«
    »Belehren Sie mich eines Besseren.«
    »Wir waren nie auseinander. Ich habe ihn immer gesehen. Zwar nur sporadisch, aber das änderte sich, als er älter wurde. Und dann nahm ich ihn mit.«
    Ich begriff zwar, fragte aber trotzdem noch einmal nach. »Auf Ihren Fahrten?«
    »Ja, er saß oft neben mir. Es machte ihm Spaß, mit seinem Vater zu reisen. Er spielte sogar mit dem Gedanken, auch Trucker zu werden. Ist das schlimm?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Okay, Sinclair, dann wissen Sie jetzt alles.«
    Ich meldete meine Zweifel an. »Nicht ganz, Mr. Evans, nicht ganz. Da sind noch einige Probleme.«
    »Ja, ich weiß. Sie haben mir erzählt, dass Mike nicht tot ist, obwohl er begraben wurde.«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Sie haben ihn gesehen?«
    »Natürlich. Wollen Sie, dass ich Ihnen Ihren eigenen Sohn noch beschreibe?«
    »Nein, nein, ich glaube Ihnen. Woher kannten Sie ihn denn? Er hat mir nie von Ihnen erzählt. Und wir hatten ein gutes Verhältnis zueinander. Darauf können Sie sich verlassen.«
    »Seine Mutter war dabei.«
    »Die spinnt.«
    »Das glaube ich nicht. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Sie genau Bescheid wissen und Sie deshalb auch Ihre Kündigung ausgesprochen haben. Da muss etwas in Ihnen vorgegangen sein, das wie ein Einschnitt gewirkt hat.«
    Er verengte die Augen zu Halbmonden. »Sie wollen mir da etwas einreden, verdammt!«
    Mein Blick nahm einen fast bedauernden Ausdruck an. »Meinen Sie das wirklich, Mr. Evans? Glauben Sie etwa, dass ich bei diesem Wetter durch die Gegend fahre und dabei nur einem Phantom nachrenne? Halten Sie mich für so dumm?«
    »Was weiß ich, was in Ihnen vorgeht?«
    »Sicherlich eine ganze Menge. Aber lassen wir das ruhig dahingestellt sein. Mir geht es darum, dass Sie endlich mit der ganzen Wahrheit herausrücken. Ich will von Ihnen wissen, ob…«
    »Nein!« Die Antwort klang endgültig. Er drehte den Kopf und schaute nach draußen.
    Während der Unterhaltung hatten wir das Unwetter vergessen. Zumindest ich hatte nicht mehr daran gedacht. Der Regen fiel noch immer in langen Bahnen, aber nicht mehr so dicht. Auch der Sturm tobte noch, er peitschte die langen Schleier, schaufelte sie gegen die Scheibe, wo das Wasser zu langen Figuren verlief, die sich in Schlangenlinien oder Zickzackfährten über dem Glas verteilten.
    Der Himmel hatte sich ein wenig erhellt. An einigen Stellen waren Lücken gerissen worden, als hätten Hände die mächtigen Wolkenberge entzerrt.
    Der Wind umheulte das Haus noch immer. Er trieb auch die Wolken vor sich her, pulverte diese dunklen Wattebäusche auf und schleuderte sie immer weiter, einem imaginären Ziel entgegen. Die Tropfen wirbelten gegen die breiten Fensterscheiben. Sie waren wie kleine Trommelstöcke, die aus dem Unsichtbaren heraus erschienen und wütend gegen das Glas schlugen, als wollten sie Einlass begehren.
    Ich schaute auf die Uhr. Wir hatten späten Nachmittag, aber draußen sah es aus, als stünde die Nacht dicht davor. Noch immer grollte der Donner. Nicht mehr so stark, nicht mehr so nah. Es war vielmehr ein fernes Grummeln
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