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0674 - Im Höllenloch

0674 - Im Höllenloch

Titel: 0674 - Im Höllenloch
Autoren: Jason Dark
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weiter, und es gab auch welche, die auf Händen und Füßen durch den Staub krochen, weil sie eine Buße abzuleisten hatten.
    Mir blieb der Speichel weg, als ich einen Blick über die Köpfe der Männer erhaschte, die um eine Person herumstanden. Es war ein Fakir. Er hatte die Beine stark angewinkelt, seine Hände lagen auf dem Bauch. Als einziges Kleidungsstück trug er eine rote Hose.
    Er lag nicht auf dem Boden, sondern auf einem Dornenhaufen, aber er blutete nicht! Die langen Dornen stachen in seine Haut, sie hätten ihn eigentlich verletzen müssen, taten es aber nicht.
    »Wie ein Zombie«, flüsterte ich.
    Suko hatte meine Worte gehört. »Nein, John, das ist Asien. Wer weiß, vielleicht wäre ich auch einmal zu dieser Stufe gelangt, hätte es mich nicht nach London verschlagen.«
    »Bereust du es?«
    »Ich weiß es nicht.« Als er mein erschrecktes Gesicht sah, sprach er schnell weiter. »Nein, ich habe es eigentlich nicht bereut, John, bis zu dem Augenblick, wo…«
    »Tu mir einen Gefallen, Suko, denk darüber nicht nach. Wir werden eine Chance finden.«
    »Es gibt keine, John.«
    »Wären wir sonst hier?«
    Er hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, für mich ist es wie ein Hinterherrennen, als wollte ich eine Fata Morgana einholen, die ja nicht existiert. Es gibt Regeln, die sind mir damals im Kloster hoch oben in den Bergen von Tibet gesagt worden, und an die Regeln muß ich mich halten.«
    »Komm weiter«, bat Mandra.
    Wir drängten uns an den Zuschauern vorbei. Nicht weit entfernt stand ein alter Baum. Er schien hier völlig fehl am Platze und vergessen worden zu sein. Seine Äste ragten wie nackte, staubige Totenarme in alle Richtungen.
    Unter dem Baum stand ein Mann, der einen orangefarbenen Turban und eine helle Hose trug. Er stand da und war von zahlreichen Kindern umringt, die eine Holzschaukel in den Baum gehängt hatten, damit der Mann seine Arme darauf stützen konnte. Die Ellenbogen berührten, die Sitzfläche der Schaukel. Ansonsten passierte nichts. Der Mann stand nur da und starrte versonnen ins Leere.
    »Was hat er vor?« fragte ich.
    Mandra lächelte. »Du wirst es kaum glauben, aber dieser Mann ist ein Wanderasket. Wegen eines Stehgelübdes soll er bereits seit zwölf Jahren ununterbrochen stehen.«
    »Ich schluckte. Wie war das?«
    Mandra mußte leise lachen. »Es stimmt, John. Indien ist eben nicht Europa.«
    »Da hast du recht.«
    Wir gingen weiter und trafen kurz danach einen vollbärtigen Shiva-Anhänger, der sich eine lebendige Kultschlange um den Hals gehängt hatte. Das Tier war armdick, der Mann aber hockte auf dem Boden, als wäre nichts geschehen. Er schaute den Leuten nach, die an ihm vorbeigingen. Die um seinen Hals hängende Schlange bewegte sich zuckend. Hin und wieder schnellte ihre Zunge hervor und fuhr über den staubigen Boden. Sie kümmerte sich auch nicht um die Musik, die ein alter Mann zu Ehren Shivas auf einem Muschelhorn blies. Er setzte das Instrument nicht ab. Ich konnte mir vorstellen, daß er tagelang weiterspielte.
    Sie alle waren etwas Besonderes, aber noch immer nicht der Meister, der uns helfen sollte.
    In der Nähe des Ufers verdichtete sich der Strom der Menschen, jeder wollte so schnell wie möglich ein Bad nehmen. Suko, Mandra und ich liefen im rechten Winkel zum Strom der Menschen, da kam es hin und wieder zu Kollisionen.
    Mandra deutete mit dem Arm nach vorn. Ich stellte mich auf die Zehnspitzen und entdeckte einen Platz, der von einigen Männern markiert wurde. Sie hatten einen Kreis gebildet. Was sich in seinem Innern befand, konnten wir nicht sehen.
    »Ist dort der Meister?«
    »Ja.«
    Ich schaute Suko an. Dessen Gesicht zuckte. Es hatte plötzlich einen harten Ausdruck bekommen.
    Sehr bald schon würde sich entscheiden, ob es überhaupt möglich war, einen Weg zu finden, um alles wieder ins Lot zu bringen.
    Die den Meister umstehenden Männer gehörten allen Altersgruppen an. Sie waren bunt gekleidet.
    Manche Hemden oder Blusen zeigten Stickereien. Der Meister war deshalb nicht zu sehen, weil er kniete.
    Die Männer aber sahen uns. Mandra Korab ging an der Spitze. Auf ihn fiel ihr Blick.
    Sie erkannten sofort, daß er ein besonderer Mann war, der einer hohen Kaste angehörte. Der helle Turban war siebenmal geschlungen, schon allein daran war für den Inder ablesbar, welche Funktion Mandra Korab ausübte.
    Ein bärtiger Mensch trat ihm entgegen. Er verbeugte sich, Mandra ebenfalls. Beide sprachen miteinander. Wir konnten kein Wort verstehen. Die
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