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0674 - Im Höllenloch

0674 - Im Höllenloch

Titel: 0674 - Im Höllenloch
Autoren: Jason Dark
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Meister nur noch zur Hälfte. Die andere war abgeschnitten worden und in das goldene Gefäß hineingefallen.
    Eisiges Schweigen breitete sich aus.
    Ich war entsetzt, die anderen eher fasziniert. Sie starrten den Mann sehr gläubig an, während auf meinem Rücken die Gänsehaut nicht verschwinden wollte.
    Ich konnte nicht mehr hinschauen und erhaschte einen Blick auf Suko, dessen Gesicht aussah, als wäre es zu Stein geworden. Mandra Korab wandte mir den Rücken zu. Was sich bei ihm tat, sah ich nicht. Aber es ging weiter, denn der Meister nickte.
    Nach meiner Schätzung waren ungefähr zehn Sekunden vergangen. Ich wartete vergeblich auf das Blut und beobachtete die langen Finger des Mannes, die wie Spinnenbeine in das Gefäß hineinkrochen und das abgeschnittene Zungenstück hervorholten.
    Der Kerl hinter ihm zog den Schal nach wie vor sehr fest. Sein Gesicht war vor Anstrengung verzerrt.
    Zwischen Daumen und Zeigefinger klemmte der Meister sein Stück Zunge, brachte es hoch in die Nähe seiner Lippen und drückte es blitzschnell gegen die andere Zungenhälfte.
    Die beiden Hälften paßten genau zusammen. Er preßte sie noch härter aufeinander. Die Zeit verstrich. Ich spürte den Schweiß wie einen kalten Leim auf meinem Körper, bis der Mann seine rechte Hand sinken ließ und die Zunge nicht abfiel.
    Es war unwahrscheinlich, unglaublich. Ein Phänomen, mit dem ich nicht mitkam, aber es war eine Tatsache.
    Der Meister hatte sein abgeschnittenes Stück Zunge allein durch Druck wieder anwachsen lassen.
    Rätselhaftes Indien…
    ***
    Der Mann blieb in seiner Haltung. Zuerst traten die beiden Personen zurück, die ihn an den Schultern gehalten hatten, dann derjenige, der den Schal hielt.
    Der Fakir blieb gelassen. Bevor er sich hinstellte, bewegte er seine Schultern, als wollte er sie geschmeidig machen. Dann erst sprachen die Zuschauer.
    Sie redeten auf ihn ein. Sie flüsterten, sie himmelten ihn an. Er aber sagte nichts. Gelassen zog er den Spieß aus seiner Zunge, und nichts fiel mehr ab.
    »Das war's«, sagte Suko. Er kam mir vor, als wäre er aus einem tiefen Traum erwacht. »Du hast gesehen, was auch ich sah, John?«
    »Und wie.« Ich schüttelte mich, weil die Bilder einfach nicht weichen wollten. Was man uns da gezeigt hatte, konnten wir mit unserem Verstand nicht fassen.
    Mandra Korab drehte sich zu uns um. Er machte den Eindruck eines Menschen, den dieser Vorgang nicht hatte überraschen können. Er lächelte sogar.
    »Ist es das gewesen, was du uns zeigen wolltest?« erkundigte ich mich.
    »Genau.«
    »Und er ist bereit, uns zu helfen?«
    Mandra holte tief Luft. »Ich werde mit ihm reden, wartet ab.«
    »Moment mal, Freund.« Suko mischte sich ein. »Wieso weiß er was. Wer ist er?«
    »Ein Heiliger. Er wird als Heiliger verehrt. Er steht über den Dingen, er empfindet keine Schmerzen mehr. Er hat die hohen Stufen erreicht. Man kann ihn zynisch als ein Produkt geistiger Genmanipulation bezeichnen. Er hat Kontakt zu den Göttern, denn er ist selbst auf dem Weg, ein Gott zu werden.«
    »Hat er denn keinen Namen?« fragte ich.
    »Doch, er heißt Rifa.«
    Ich verengte die Augen. »Und er ist in der Lage, uns den Weg zu zeigen?«
    »Ich will es hoffen.« Mandra lächelte. »Nehmt es mir nicht übel, aber ich möchte mit ihm reden. Wartet irgendwo am Ufer. Dort gibt es genügend Plätze. Ich komme dann zu euch.«
    »Gut, viel Glück.«
    Suko und ich gingen den Weg schweigend. Mein Freund schüttelte hin und wieder den Kopf, als könnte er das Erlebte noch nicht richtig verarbeiten.
    Wir sahen die Menschen kaum, die uns umgaben. Auch uns ließ man in Ruhe, obwohl wir Fremde waren. Die Menschen hier zeigten eine bewundernswerte Toleranz.
    Vor uns wälzte sich der Ganges durch sein Bett. Braungraue Fluten, in der Mitte frei, an den Ufern von alten, schaukelnden Booten befahren. Manche mit, andere ohne Segel. Wenn sie das Tuch gesetzt hatten, bestand es oft nur aus Fetzen.
    Wir fanden einen kleinen Mauerrest, wo wir uns niederließen. Nicht weit entfernt saßen Männer zusammen und spielten mit kleinen Figuren aus Elfenbein ein mir unbekanntes Spiel.
    Die Sonne stach widerlich heiß durch den Dunst. Wir waren den Winter gewohnt, hier aber hielt uns die verfluchte Hitze fest wie ein gewaltiges Netz. Mein Nacken war feucht. Ich hatte den Eindruck, daß er von eingetrocknetem Schweiß bedeckt war.
    »Was sagst du?« fragte ich meinen Partner und stieß ihn mit dem Ellbogen leicht in die Rippen.
    »Nichts mehr.«
    »Du
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