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066 - Marionetten des Satans

066 - Marionetten des Satans

Titel: 066 - Marionetten des Satans
Autoren: Ann Loring
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aus dem Raum gehumpelt war. Das paßte nicht zu seiner übrigen Erscheinung. Sie sagte sich zwar, daß dieser Gedanke lächerlich sei, aber sie ging trotzdem nicht ans Telefon.
    Dann, am Morgen des fünften Tages, war plötzlich alles anders. Sie erwachte, Sonnenstrahlen fluteten ins Zimmer, und eine sanfte Brise bewegte die Vorhänge. Sie hörte die leisen Stimmen ihrer Eltern in der Küche, die sich dann von Bobby verabschiedeten, der diesmal anscheinend ohne Widerstand in die Schule ging.
    Sie stand auf, streckte sich und fühlte sich gut und stark. Und plötzlich wichen ihre Zweifel und ihre Furcht. An diesem Morgen rief sie Lou Davilla an.
     

     

Die Harrow Street lag im Süden des Vorortes, ein wenig abgelegen und vom Geschäftszentrum entfernt. Ringsum waren Apartmenthäuser errichtet worden. Am Ende der Straße lag das Theater. Noch befand sich kein Schild an der Tür, die von einem kleinen Baldachin überdacht war.
    Als Julie näher trat, konnte sie die frische Farbe riechen. An jeder Seite der Tür waren Glaskästen angebracht, in denen später Bilder der Aufführung und der Schauspieler ausgestellt werden sollten. Jetzt waren sie leer, aber ihre Aluminiumrahmen waren gerade erst poliert worden und glänzten in der Sonne. An der Seitenwand des Theaters entdeckte sie eine schmiedeeiserne Doppeltür, die das Gebäude mit einem modernen Apartmenthaus verband. Sie blickte um die Ecke, um einen Blick auf den Garten zu werfen, aber in der dunklen Zufahrt konnte sie nur bis zum Bühneneingang sehen.
    Als sie sich abwenden wollte, weckte ein Gebilde, das in beide Türflügel eingelassen war, ihre Aufmerksamkeit. Sie betrachtete es, und nur allmählich nahmen die alten, verwitterten Figuren Gestalt an. Ein wenig erschrocken erkannte sie zwei Kreuze, an denen keine Jesusfiguren hingen, sondern die üppigen Gestalten nackter Frauen. Ihre Köpfe neigten sich zur Seite, und ihre Bäuche waren mit seltsamen Symbolen bemalt. Und rund um die Kreuze sammelten sich nicht trauernde Gläubige, sondern zahlreiche Wasserspeier, die Grimassen schnitten und mit sichtlichem Vergnügen die gequälten Leiber anstarrten.
    „Grotesk, nicht wahr?“ Und wieder überraschte sie diese sanfte, schmeichelnde Stimme.
    Als sie sie hörte, zitterte alles in ihr vor Aufregung, und eine merkwürdige Schwäche überfiel sie. Das ist doch lächerlich, sagte sie sich. Ich bin eine erwachsene, moderne Frau. Männer waren nie ein Problem für mich. Sie war mit dem männlichen Geschlecht leicht fertig geworden, schon in der ersten Schulklasse, als der kleine italienische Junge sie immer an den Zöpfen gezogen hatte. Auch der Baseballspieler, der ihr auf dem College Gedichte gewidmet hatte, brachte keine Probleme. Und auch als Bill ihr den Hof gemacht hatte, fühlte sie sich keineswegs verstört. Noch nie hatte ein Mann sie um ihre Fassung gebracht.
    „Ja“, erwiderte sie vorsichtig und riß sich zusammen. „Grotesk ist ein zutreffendes Wort. Die Figuren sind irgendwie …“
    „Beunruhigend …?“
    „So ist es. Ich kann mir vorstellen, daß manche Leute erschrecken, wenn sie das sehen.“
    „Die meisten achten gar nicht darauf. Doch genug davon.“ Er lächelte. „Sie haben mich lange auf Ihren Anruf warten lassen, Miß Wallace. Ich nehme an, Sie haben nun eine Entscheidung getroffen?“
    „Mehr oder weniger“, erwiderte sie zögernd.
    „Machen wir‚ mehr’ daraus. Fangen wir zunächst mit dem Theater an.“
    Er bot ihr den Arm, und sie schob ihre Hand in seine Armbeuge. Ein Gefühl tiefer Sympathie überkam sie, gleichzeitig aber verspürte sie Abneigung. Als ob er ihre Gefühle erraten hätte, ließ er ihre Hand los und humpelte voraus zur Tür.
    In der Halle war der Geruch nach frischer Farbe sehr intensiv. Die Wände waren weiß, der Boden mit schwarzen Fliesen ausgelegt. Auch die Türen der Schalter waren schwarz, und keine andere Farbe störte diese Schwarzweiß-Komposition. Ein verwirrender Effekt.
    Im Theater selbst wirkten diese Farben noch stärker, nachdem ihre Augen sich erst einmal an das Dunkel gewöhnt hatten. Die schwarzen Kreise, Streifen und anderen geometrischen Formen an den schneeweißen Wänden hatten eine beinahe hypnotisierende Wirkung. Ein dicker schwarzer Teppich verschluckte alle Geräusche. Die Sitze waren mit weißem Leder bezogen, die Falten des Bühnenvorhangs schimmerten in schwarzem Samt. Auf beiden Teilen des Vorhangs waren zwei weiße Ovale aufgemalt, in denen sich kaum definierbare Figuren
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