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065 - Der Geisterreiter

065 - Der Geisterreiter

Titel: 065 - Der Geisterreiter
Autoren: Hivar Kelasker
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jagte den roten Wagen förmlich auf den Weg hinaus.
    Er fuhr unkonzentriert, viel zu schnell und wie im Fieber. Mit hundert Stundenkilometern jagten wir durch die ausgefahrenen Spuren, schleuderten und rutschten. Die Fernlichter hatten Mühe, den Weg vor uns zu erhellen, der in Wolken von Staub gehüllt war. Sandkörner prasselten gegen Blech und Scheiben.
    Ich hielt mich krampfhaft fest und sah zu Jürgen hinüber. Sein Gesicht wirkte im grellen Licht des heftig tobenden Gewitters unnatürlich hart. Er hatte die Lippen fest aufeinandergepreßt. In seinen Augen loderten Haß und Wut, während sich seine Hände so fest um das Steuerrad preßten, daß die Knöchel weiß hervortraten. Dicht vor uns setzte ein Reh über den Weg, aber Jürgen nahm nicht einmal den Fuß vom Gashebel.
    Blitze blendeten ihn, machten ihn sekundenlang blind und hilflos. Der Wagen schlitterte über Gras, die Hinterräder drehten rasend schnell durch, doch im nächsten Augenblick hatte Jürgen den Wagen wieder fest in der Hand und lenkte ihn auf den Weg zurück.
    Der Donner machte uns taub. Die ersten schweren Regentropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe und erzeugten auf dem Dach seltsame, furchterregende Geräusche. Staub und Wasser vermischten sich zu einem schmierigen Brei und machten das Glas trübe.
    Jürgen begann wild und unbeherrscht zu fluchen, denn die Scheibenwischer konnten den Schmutz nicht schnell genug beseitigen, um wieder klare Sicht zu schaffen.
    „Willst du unbedingt einen Unfall bauen?“ fragte ich, als ich das Schlingern nicht mehr aushalten konnte.
    „Schon gut“, knurrte er und nahm etwas Gas weg. „Du hast ja recht, es ist doch nichts mehr zu ändern!“
    Über uns entluden sich jetzt die dicken, schweren Gewitterwolken. Der Regen sprühte durch das offene Fenster und lief in breiten Bahnen über das Glas. Jürgen kurbelte die Scheibe hoch. Sofort beschlug sich die Innenseite des Fensters.
    „Fahr doch langsamer, Jürgen!“ brüllte ich ihn an.
    Er schien mich nicht zu verstehen, denn der Wagen raste im gleichen Tempo durch riesige Pfützen. Donnernd schlug das Wasser in die Kotflügel und spritzte in breiten Bächen nach allen Seiten. Endlich schaltete er einen Gang tiefer und fuhr langsamer. Sein Gesicht war schweißüberströmt. In der Kurve, hinter der die schmale Brücke über das Flüßchen führte, bremste Jürgen endlich ab.
    „Ich kann es noch immer nicht fassen, daß diese heimtückische Kreatur alle umgebracht hat – und aus welchem Grund?“
    „Es ist wie ein Alptraum“, erwiderte ich laut, um den Lärm draußen zu übertönen. „Was ist das, dort vorn? Fahr vorsichtig!“
    Wir überquerten die Brücke, deren Bohlen naß und schlüpfrig geworden waren. Die Reifen faßten nur schlecht. Dann kamen wir in den Wald und befanden uns nach etwa zwanzig Metern wieder in dem natürlichen Tunnel aus Baumwipfeln und überhängenden Zweigen. Jürgen beugte sich vor und stieß mit der Stirn fast an die Scheibe.
    „Dort …!“ sagte er und deutete in den Lichtkegel.
    Übergangslos trat er auf die Bremse. Ich wurde nach vorn geschleudert und im nächsten Augenblick zur Seite, als der Wagen in einen Busch hineinfuhr. Fluchend legte Jürgen den Rückwärtsgang ein und stellte ihn wieder gerade. Die Fernscheinwerfer bohrten sich in den halbrunden, dunklen Schacht.
    Etwa hundert Meter vor uns standen zwei Gestalten. Ich wischte über die Scheibe und sah sie nun deutlicher. Zwei mittelgroße Männer, dunkel, mit leuchtenden Flächen an den Körpern. Sie wirkten irgendwie fremd und gespenstisch.
    Wir sahen uns an, schienen beide die gleichen Gedanken zu haben, hielten sie aber für zu verrückt, um sie zu äußern. Jürgen faßte sie zuerst in Worte.
    „Das ist unmöglich – das kann nicht sein!“ Er war völlig fassungslos. Aber eine Täuschung war unmöglich, denn wir sahen sie direkt vor uns, die mehr als tausendjährigen Leichen aus dem Moorgrab, lebendig und aufrecht stehend.
    Ich wischte mir über die Augen, doch das Bild blieb. Attila senior und sein Grabgefährte trugen die Rüstungen, in denen man sie damals zur letzten Ruhe gebettet hatte – kupfern leuchtende Helme, dunkles Leder mit riesigen Schnallen, den kleinen Brustpanzer und die Schilde. Sie versuchten, aus dem Bereich der Scheinwerfer zu kommen, und bei ihren raschen Bewegungen sahen wir deutlich die langen, gekrümmten Schwerter von ihren Hüften baumeln.
    „Fahr nicht hin! Sie bringen uns auch um!“
    Ich hörte mich wimmern, war
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