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0644 - Der Leichenfürst von Leipzig

0644 - Der Leichenfürst von Leipzig

Titel: 0644 - Der Leichenfürst von Leipzig
Autoren: Jason Dark
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nicht?«
    Erika verengte die Augen. Sie lächelte, aber sie dachte gleichzeitig wie ein Kaufmann. »Für einen Blauen mache ich es nicht, Meister. Nee, da haste dich getäuscht!«
    »Zwei Blaue?«
    Erika lächelte plötzlich. »Nun ja, darüber könnte man reden.«
    »Zwei Blaue oder gar nichts.«
    »Zeig die Scheine. Und sag mir dann, was ich tun soll.«
    Er holte einen zweiten Hunderter aus der Manteltasche. Vor ihren Augen fächerte er sie auf. »Na, wie gefällt dir die Summe, kleine Nutte! Ist doch nicht schlecht.«
    Sie ging zurück, ohne zu antworten. Schließlich spürte sie die Hauswand in ihrem Rücken. Der billige Mantel hatte nur noch zwei Knöpfe, die öffnete sie jetzt und schlug die beiden Hälften zur Seite, damit der Kunde sie eingehend betrachten konnte.
    Was sich unter dem Pullover abzeichnete und ebenfalls aus dem Ausschnitt hervorquoll, schien ihm zu gefallen, auch die langen Beine beeindruckten ihn.
    »Zufrieden?«
    »Geht in Ordnung.«
    »Dann her mit dem Geld!«
    Sie erhielt die beiden Blauen, knitterte sie zusammen und steckte sie ein. Der Mann trat näher an sie heran. Erika fummelte an ihrem Rock, der in der Taille ziemlich eng saß. Sie dachte daran, mal wieder etwas abzunehmen, und rechnete damit, dass der Kunde sie betasten würde, aber er tat nichts dergleichen.
    Der dunkel gekleidete Mann blieb stehen und schaute sie nur an. Kalt und abschätzend.
    Sie wollte etwas sagen. Ihr Mund öffnete sich bereits, als sie den Schatten sah.
    Er war urplötzlich erschienen, obwohl es keinen Grund dafür gab, denn in der Nähe leuchtete kein Licht. Trotzdem lag der Schatten auf dem Pflaster des Gehsteigs. In einem schrägen Winkel stach er von der Gestalt des Mannes ab. Er zeichnete ihn genau nach, sogar der Hut war vorhanden. Sie hätte den Schatten schon die ganze Zeit über sehen müssen, was aber nicht der Fall gewesen war, und sie fragte sich plötzlich, woher er kam. Da sie keine Antwort wusste, machte ihr die Tatsache Angst.
    Etwas Kaltes kroch ihren Rücken hinauf. Sie zwinkerte mit den Augen und schüttelte wie in Zeitlupe den Kopf.
    »Was hast du, Mädchen?«
    »Komisch, aber der Schatten…«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er war vorhin noch nicht da.«
    »Tatsächlich?« Die Stimme klang lauernd. Sie wehte unter dem Hutrand hervor.
    »Ja, ich bin mir sicher, dass er nicht da gewesen ist. Wie - wie kommt er plötzlich hierher?«
    »Das verstehst du nicht, Süße.«
    Erika schluckte. »Wer - wer bist du? Sag, wer du bist! Ich - ich will es wissen.«
    »Wie heißt du?«
    »Erika.«
    »Schön. Ich bin Hoffmann.«
    Erika wusste nicht, ob er sich selbst oder nur den Schatten damit gemeint hatte. »Einfach Hoffmann?«
    »Ja.«
    Sie schaute den Schatten an. Und der bewegte sich, obwohl Hoffmann selbst stehen blieb. Sie bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, weil sie keine Erklärung fand. Wie konnte sich ein Schatten bewegen, wenn dessen Erzeuger an der gleichen Stelle stehen blieb? Das war einfach unfassbar…
    Sie hob den Kopf. Der Mann hatte seinen Hut etwas angehoben. Er schaute sie jetzt starr an.
    Ein Gesicht wie…
    Der Gedanke zerriss. Erika spürte die Kälte, die sich über ihren Körper gelegt hatte, und wusste in der nächsten Sekunde Bescheid. Es war der Schatten, der sie erreicht hatte. An den Füßen begann es, dort kroch er hoch, näherte sich ihrer Brust, und dann waren die beiden unsichtbaren Klammern da, die sie umkrallten.
    Erika schaffte es nicht mehr, auf der Stelle stehen zu bleiben. Die Klammern hielten sie so fest, dass sie nach vorn taumelte, genau auf den Kunden zu, der aber zur Seite wich - ohne Schatten, denn der befand sich bei Erika.
    Er zerrte sie weiter von der brüchigen Hauswand weg. Sie stolperte über den Gehsteig, erreichte die leere Straße und hatte das Gefühl, in eine andere Welt zu gelangen.
    Die Straße, die Häuser, der Himmel, alles bewegte sich vor ihren Augen in einem rasanten Wirbel.
    Es drehte sich, es fiel, es stieg hoch, es warf Wellen. Es war dunkel, hell und feurig zugleich. Der Boden schien unter ihren Füßen wegzugleiten. Sie fiel und blieb trotzdem stehen, ein Schlund war da, und sie hörte das Zischen, als würde Dampf daraus hervorwehen.
    Dann bekam sie keine Luft mehr.
    Das Gesicht zeigte ihre Qual. Es war schrecklich verzerrt. In einer nahezu unanständigen Art und Weise hielt sie der verdammte Schatten umklammert. Er hatte sie völlig eingenommen, er war gnadenlos, denn er wollte ihren Tod.
    Sie wunderte sich darüber, dass sie noch auf
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