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0644 - Der Leichenfürst von Leipzig

0644 - Der Leichenfürst von Leipzig

Titel: 0644 - Der Leichenfürst von Leipzig
Autoren: Jason Dark
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einen Kunden, der auf keinen Fall gesehen werden wollte. Das hatte ihr der Mann gesagt.
    Vergeblich versuchte sie, sich an ihn zu erinnern. Er hatte einen Hut getragen, doch sein Gesicht war ihr nicht mehr präsent. Höchstens noch die dunklen Augen unter der Krempe.
    Das war ihr alles nicht so wichtig. Sie lockte das Westgeld, der Blaue. Einige davon hatte sie gesammelt, sogar ein Brauner befand sich darunter.
    Fünfhundert Mark, ein kleines Vermögen, auch jetzt noch, wo viele schon umtauschten.
    Noch hatte sie Zeit. Seit kurzem rauchte sie West-Zigaretten, klopfte ein Stäbchen aus der Packung und zündete es mit dem altem Sturmfeuerzeug an.
    Die Wolken verteilten sich im Zimmer. Erika drehte sich um und ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. Hier hatte sie auch die letzte Zeit gewohnt, das nahm sie sich vor.
    Drei Haken bildeten die Garderobe. Über einen hatte sie den dunklen Mantel gehängt. Er bestand aus einer billigen Pelzimitation und schimmerte grünlich im Licht.
    Erika drückte die Zigarette genau in dem Moment im alten Ascher aus, als sie den Pfiff hörte.
    Scharf und grell, nur einmal. Es war das Zeichen.
    Erika huschte zum Fenster.
    Die Gestalt stand am Rand des Gehsteigs, wo einige Steine fehlten. Sie winkte ihm zu, war aber nicht sicher, auch von ihm bemerkt worden zu sein. Egal, er hatte sein Versprechen gehalten. Als sie den Mantel überstreifte, dachte sie daran, eine Nachtzulage von fünfzig Prozent zu nehmen. Es kam darauf an, wie scharf der Knabe wurde, wenn er erst einmal ihren Körper sah.
    Sie konnten in die Wohnung gehen, aber woandershin gehen, das überließ sie den Kunden.
    Im schmalen Treppenhaus begegnete ihr die alte Schulz. Eine bitter gewordene Frau, die jahrelang nur gelitten hatte. Sie blieb stehen, als sie Erika sah.
    »Na, gehst du wieder auf den Strich, du Hure?«
    Erika blieb stehen. Spöttisch verzogen sich ihre Mundwinkel, während sie die Frau betrachtete.
    »Klar doch, Alte. Für eine Nummer mit dir würde selbst der letzte Penner nicht einmal fünf Mark Ost hinlegen. Such dir schon einen Sarg.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Schämst du dich nicht, so zu reden?«
    »Nein, warum?«
    Frau Schulz winkte ab. »Kennst du das Wort Moral?«
    »Ist das chinesisch?« Sie lachte und ging weiter. Was die Frau ihr nachrief, hörte sie nicht mehr.
    An der Haustür strich sie noch einmal durch das Haar, war zufrieden und öffnete.
    Der typische Leipziger Gestank wehte ihr entgegen. An dieses Zeug würde sie sich nie gewöhnen können. Wenn sie genügend Geld zusammengespart hatte, wollte sie weg. Am besten in den Westen. Köln oder Düsseldorf schwebten ihr vor.
    Noch aber stolperte sie über den hochkant stehenden Stein dicht hinter der Tür.
    Sie fing sich gerade noch und hörte die Frage ihres Kunden. »Hast du getrunken?«
    »Nein.«
    »Dann ist es gut.«
    Er kam näher. Wieder sah sie nicht viel von ihm, denn er trug die gleiche Kleidung wie am Mittag.
    Nur die Linke hielt er in der Manteltasche, die Rechte hatte er hervorgezogen und wedelte mit einem Blauen. »Das war doch so vereinbart, nicht?«
    »Ja…«, dehnte sie.
    Der Mann verstand. »Gibt es Probleme?«
    »Kommt darauf an, was du willst!«
    »Hundert!«, zischte er. »Okay?«
    Erika bekam plötzlich Angst. Es drängte sie, zurückzulaufen, dann aber dachte sie an das Geld, nickte, obwohl es ihr gegen den Strich ging. Der Hunderter verschwand wieder zusammen mit der Hand in der Tasche.
    »Du bekommst ihn gleich. Öffne mal den Mantel.«
    Erika widersprach. »Nicht sofort, Mann. Erst will ich wissen, wo du es willst.«
    Die blassen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als der Kunde noch einen Schritt näher kam.
    »Was meinst du denn?«
    »Ist dein Problem.«
    »Gut.« Er nickte. »Dann machen wir es gleich hier.«
    »Wie - wo?« Sie stotterte plötzlich.
    »Ist doch klar, Süße. Hier an der Hauswand. Kurz, knapp und kernig. Verstanden?«
    Erika war wie vor den Kopf geschlagen. Okay, sie war noch nicht lange in diesem Geschäft, aber sie hatte einiges gehört und gelesen. Kunden oder Freier verlangten viel. Da gab es die unterschiedlichsten Typen, aber hier in der Gasse, an der Hauswand - das ging doch einen Schritt zu weit. Ausgerechnet noch dort, wo sie wohnte.
    »Hast du mich nicht verstanden, Herzchen?«
    Erika holte Luft und lachte kieksend. »Sag mal, Meister, bist du ein Perverser?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Blöde Frage. Mit der Hauswand und so…«
    »Machst du es oder machst du es
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