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0623 - Ein Tropfen Ewigkeit

0623 - Ein Tropfen Ewigkeit

Titel: 0623 - Ein Tropfen Ewigkeit
Autoren: Jason Dark
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die Natur nur von Beschreibungen her, zum erstenmal nahm sie die Umgebung auch optisch wahr.
    Den Geruch von Frische und Blütenduft ignorierte sie, den hatte sie auch in ihrer zweiten Heimat erlebt, wenn der Frühling über das Land kam und die Natur zum Blühen brachte. Auch hier auf der Insel blühte alles. Ein Garten Eden breitete sich vor ihr aus, ein wundersames Paradies mit blühenden Bäumen, prachtvollen Blumen und einem wolkenlosen Himmel.
    Ein herrliches Land.
    Hinter ihr rauschten die Wellen an den Strand. Das Wasser war kristallklar. Wer hier lebte, der hatte das Paradies gefunden.
    War es möglicherweise das Paradies, das schon klinisch Tote gesehen hatten, bevor sie durch die Kunst der Ärzte wieder in ihr normales Leben zurückgeholt worden waren?
    Melusine hatte viel darüber gehört. Sie saß oft am Radio, um den Berichten zu lauschen, und sie hatte sich natürlich ihre Gedanken darüber gemacht, ohne daran jedoch richtig glauben zu können.
    Die Insel, von der sie nicht wußte, wie groß sie war, lag wie eine flache Flunder im Meer. Es existierte keine Steilküste, da schlugen keine Wellen gegen irgendwelches Gestein. Sie breitete sich tellerförmig aus, umschmeichelt von sachten Wellen, und Melu konnte sich nicht einmal vorstellen, daß es hier zu einem Sturm kommen konnte. Dazu war die Natur zu friedlich.
    Vor ihr lag eine weite Wiese. Wenn sie den Geruch der Blüten richtig deutete, würden an den Bäumen Äpfel wachsen. Melu erinnerte sich daran, daß Avalon als Insel der Äpfel bezeichnet worden war.
    So lautete ihr alter, keltischer Name.
    Das Gras stand voll im Saft. Selbst dieser Teppich strahlte noch einen herrlichen Geruch ab, der in Melus Nase stieg.
    Natürlich hatte sie das fremde Eiland mit einer gewissen Scheu betreten. Die war nun verschwunden, sie fühlte sich so herrlich leicht und frei. Hätte jubeln und singen können, während sie mit tanzenden Bewegungen über das Gras huschte.
    Nur einmal dachte sie an die Vergangenheit, als ihr einfiel, daß sie diese Rückkehr eigentlich einem Mann namens John Sinclair zu verdanken hatte. Er hatte den Dunklen Gral besessen, der von Melusine de Lacre gestohlen worden war.
    Seltsam, ein schlechtes Gewissen bekam sie nicht. Die junge Frau nahm alles als normal hin.
    Und sie ging weiter. Beschwingt, fröhlich, unter den Zweigen der in Blüte stehenden Apfelbäume hinweg, wobei sie ein direktes Ziel nicht kannte.
    Melu hatte beschlossen, die Insel auf eigene Faust zu erkunden.
    Dabei hoffte sie, Kontakt mit ihren Eltern aufnehmen zu können, deren Geister sich ebenfalls auf der Insel befanden. Davon ging sie aus, den Beweis hatte sie noch nicht bekommen.
    Sie würde suchen, und es würde ihr nichts ausmachen, denn jeder Schritt, der sie tiefer in die Insel hineinbrachte, erhöhte ihr Wohlbefinden. Das war alles so herrlich. Sie konnte nichts Negatives finden.
    Auf einer freien, mit kleinen Blumen übersäten Grasfläche blieb sie stehen und drehte ihr Gesicht dem warmen Wind zu, der sie einschmeichelnd umfing. Sie war in der letzten Zeit schneller gegangen und hatte einen leichten Anstieg hinter sich.
    Nun stand sie auf der flachen Kuppe und ließ ihren Blick über das Land gleiten.
    Es bestand nicht nur aus weiten, blumenbekränzten und mit Bäumen bewachsenen Flächen. In der Ferne – oder war es in der Nähe – ragten Schatten in die Höhe, die sie als Bergumrisse identifizierte.
    Genau konnte sie die Umrisse nicht erkennen, weil große Nebelfelder vor ihnen lagen und die Sicht versperrten.
    Vor den Bergen breitete sich eine sanft gewellte Landschaft aus.
    Hügel schauten aus dem Gras der Ebene hervor. Dazwischen schimmerten kleine Seen und Teiche, mit Oberflächen blank wie Spiegel.
    Ein Lächeln huschte über Melus Lippen, als sich ihr Blick auf einen der Seen einpendelte. Plötzlich überkam sie das Gefühl, baden zu müssen, einfach hineinzusteigen in das warme Wasser, denn es mußte warm sein, wenn sie an die Luft dachte.
    Als Blinde hatte sie ihr letztes Bad genommen, da war das Wasser nur zu spüren gewesen, jetzt aber wollte sie es sehen, sie würde hineinschlagen, sich an den Fontänen, den perlenden Tropfen, einfach an allem erfreuen, was sie mit den eigenen Augen erkennen konnte.
    Deshalb rannte sie.
    Sie lief gegen den Wind und hatte das Gefühl, von ihm mitgetragen zu werden.
    Den Kopf leicht in den Nacken gelegt, das Haar wild wie eine Fahne flatternd, die Beine schwingend geworfen und dabei mit den Füßen durch das Gras
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