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0615 - Die Satans-Vision

0615 - Die Satans-Vision

Titel: 0615 - Die Satans-Vision
Autoren: Jason Dark
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gelten?«
    »Nicht unbedingt. Ich wollte Ihnen nur Mut machen und…«
    »Da blitzt etwas.«
    Dieser eine Satz hatte mich nicht weitersprechen lassen. In der Tat fuhr ein Blitz genau dort über den Himmel, wo er wie ein hell- und dunkelgraues Tuch über den Felsen lag, als wäre er von kräftigen Händen gespannt worden.
    Anne Geron hatte die Augenbrauen zusammengezogen. Sie starrte besonders scharf auf die zuckenden Lichtspeere und faßte schließlich gegen ihre Stirn, wobei sie einen Schritt zurückging. Die Geste und die Bewegung wirkten etwas theatralisch, aber ich sah es nicht so.
    »Was haben Sie?« fragte ich. »Bitte, Sie müssen reden, Anne!«
    »Ich… ich weiß es nicht!« keuchte sie. »Es ist nicht einfach. Ich … ich glaube, daß es passiert.«
    »Was?«
    Sie ging zurück, um sich an den Wagen lehnen zu können. Blutleer wirkte ihr Gesicht. Im letzten Tageslicht sahen wir sowieso aus wie Gespenster.
    »Die Vision!«
    Sie gab mir keine Antwort. Da hätte ich auch gegen eine Wand sprechen können.
    Ich wußte zwar, wie ich ihr möglicherweise helfen konnte, hielt mich bewußt noch zurück, nicht um sie zu quälen, sondern um auch einen Erfolg erreichen zu können.
    Anne bekam nicht mit, wie ich die Kette mit dem Kreuz über meinen Kopf streifte. Sie hatte sich gedreht und stand am Wagen wie ein Gangster, der von einem Polizisten durchsucht werden sollte.
    Breitbeinig, die Hände aufgestützt, leicht vorgebeugt. Dabei holte sie tief Atem und sprach Worte, die ich nicht verstand.
    Dicht hinter ihr blieb ich stehen. So gut wie möglich, suchte ich die Umgebung ab, da ich auch davon ausging, daß sie die Vision möglicherweise materialisierte, um sie bekämpfen zu können.
    Sie atmete pumpend. Als ich meine Hand gegen ihren Rücken legte, spürte ich trotz des dicken Mantelstoffes, daß sie zitterte. Etwas drang gegen sie, etwas wollte von ihr Besitz ergreifen, und aus ihrem Mund fuhren röchelnde Laute.
    »Was sehen Sie, Anne?«
    Sie richtete sich so heftig auf, daß sie nach hinten gefallen wäre.
    Meine Hand war schneller, ich stützte sie ab.
    Anne hatte den Kopf zurückgedrückt. Ihr blasses Gesicht war dem Himmel zugewandt, die Augen standen offen, ohne daß sie sich bewegten, und sie begann zu flüstern.
    »Blut… es ist überall Blut, John. Ich sehe es, ich kann es fühlen, ich schmecke es. Es ist mein Blut, wenn du mich verstehst. Ich muß es vergießen, ja, es muß durch mich vergossen werden. Ich bin die Strafe, ich bin das Böse …« Die letzten Worte würgte sie förmlich mit einer schon rauh klingenden Männerstimme hervor. Dann drehte sie sich so heftig, daß sie mir fast aus dem Griff gerutscht wäre.
    Beide schauten wir uns an.
    Ihr Blick nahm mich gar nicht wahr. Aber in ihr mußte Fürchterliches vorgehen. Anne erlebte eine seelische Folter, eine furchtbare Qual, der sie nicht entrinnen konnte.
    »Ich muß es büßen…«
    »Sehen Sie ihn, den Gesichtslosen, Anne?«
    »Nein, nein… nur eben das Blut. Es hüllt mich ein wie ein Vorhang. Ich muß mit meinem Blut büßen. Da … da!« Ruckartig hob sie die Arme an und drehte die Hände, damit die Flächen nach außen zeigten.
    Ich starrte darauf und sah tatsächlich das Blut. Wie dicke Farbe strömte es nun aus den beiden Wunden in ihren Handflächen…
    ***
    Es war furchtbar. Für Anne Geron natürlich schlimmer als für mich.
    Aber ich wußte auch, daß ich so schnell wie möglich etwas unternehmen mußte. Wenn das Blut weiterhin aus ihren Handflächen strömte, dann würde sie verbluten.
    Wie sie dastand, erinnerte sie mich an eine Heilige. Ihre Augen glichen Laternen, in denen allmählich das Licht verlosch. Ich hörte sie atmen und schluchzen zugleich, die Lippen bebten, die Wangen zuckten, dann griff ich ein.
    Ich faßte die Arme an beiden Handgelenken und brachte die Flächen zusammen.
    Dazwischen steckte ich blitzschnell das Kreuz.
    Kein Zischen erklang, nicht einmal ein Schrei war zu hören. Wenn Anne Geron litt, dann geschah dies lautlos. Sie bewegte sich erst, als ich ihre Hände wieder auseinanderbrachte und das Kreuz auffing, an dem kein Tropfen Blut klebte.
    So frei wie mein Kreuz waren auch ihre Handflächen. Nicht einmal ein winziger Rest war zu sehen.
    Sie senkte den Kopf, fiel mir entgegen, ich hielt sie fest und sprach beruhigend auf sie ein.
    »Was soll ich denn noch machen?« fragte sie mit einer kindlich wirkenden Stimme. »Ich kann nichts dagegen tun. Es ist alles so furchtbar. Es kommt einfach über
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