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0613 - Mandragoros grausamer Garten

0613 - Mandragoros grausamer Garten

Titel: 0613 - Mandragoros grausamer Garten
Autoren: Jason Dark
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Erinnerung zu kramen. Jedenfalls mußte es lange hergewesen sein, als ich zum letztenmal in das Gesicht geschaut und mit dem Mann gesprochen hatte, zu dem es gehörte.
    Natürlich hatte ich nicht nur Freunde in meinem Alter, es waren auch ältere dabei, und dieser Mann, dem das Gesicht gehörte, paßte dazu. Mir kam überhaupt nicht in den Sinn, daß es sich um einen Feind handeln konnte. Mich warnte auch kein Gefühl, dieses Gesicht mußte mir einfach vertraut sein, nur kam ich im Augenblick nicht auf den Namen und ließ meine Überlegungen vorerst bleiben.
    Dafür untersuchte ich es genau und tastete mit den Fingerkuppen vorsichtig die Wangen ab.
    War es Haut?
    Ja und nein. Es fühlte sich so an, es war irgendwie weich, aber gleichzeitig konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, hier einen künstlichen Kopf vor mir zu sehen.
    Ein Kopf, der aus einer Blume gewachsen war!
    Unvorstellbar, normalerweise, doch nicht für mich. Wer einen Job ausübte wie Suko und ich, den konnte und durfte eigentlich nichts mehr überraschen. Doch passierte es immer wieder, weil das Leben einfach zu vielfältig war. Wenn ich nur gewußt hätte, zu wem das Gesicht gehörte, wäre mir wesentlich wohler gewesen.
    Verflixt, ich kannte es…
    Obwohl ich nachdenklich im Zimmer umherging, kam ich zu keinem Ergebnis, und mein Blick blieb schließlich am Telefon hängen.
    Klar, wenn ich das Gesicht kannte, war es meinem Freund Suko wahrscheinlich auch nicht unbekannt.
    Kurzentschlossen wählte ich seine Nummer und hörte eine quängelige Stimme.
    »Zu Hause bin ich nicht. Das ist hier mein automatischer Anrufbeantworter, der mir hilft, die Sonntage ruhig und ohne Streß zu verbringen. Deshalb rufen Sie…«
    »Komm mal rüber, Tiger!«
    »Ach nee, widerlich, du ausgerechnet.« Suko stöhnte. »Wer kann mich schon in meiner Ruhe stören. Hättest du nicht eine Minute später anrufen können? Ich wollte mich gerade auf den Weg machen und etwas durchs Gelände joggen.«
    »Nein, das konnte ich nicht.«
    Suko erkannte am Klang meiner Stimme, daß ich nicht spaßen wollte und fragte: »Ärger?«
    »Wie man’s nimmt. Komm her und schau es dir an.«
    »All right, ich fliege.«
    Suko brauchte nur eine Tür weiter zu gehen, um mich zu erreichen. Ich erwartete ihn in der Diele, sah ihn tatsächlich im Jogging-Anzug, und er wunderte sich über meinen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
    »Was war denn los?«
    Schweigend führte ich ihn in den Wohnraum, wo er stehenblieb und sich das Geschenk betrachtete.
    Ich ließ ihn einige Zeit in Ruhe, bevor ich ihm eine Frage stellte.
    »Was sagst du dazu?«
    Er hob die Schultern. »Das weiß ich nicht, John. Das ist der Schock in der späten Morgenstunde. Ein Männerkopf, der aus einer Blume wächst, für mich der perfekte Wahnsinn.«
    »So kann man es sehen.«
    »Und weiter?«
    »Ich habe das Gefühl, das Gesicht zu kennen. Es ist mir vertraut, aber trotzdem fremd. Ich weiß nicht, wie es dir ergeht, Suko, aber kannst du mir helfen?«
    »Du weißt nicht, wer er ist oder wem das Gesicht gehört?«
    »Nein.«
    »Ehrlich nicht?«
    Unwillig schüttelte ich den Kopf. »Himmel, Arsch und Wolkenbruch, wenn ich es dir doch sage…«
    »Sorry, aber ich wußte nicht, daß dein Gedächtnis im Laufe der Zeit dermaßen gelitten hat, daß du schon alte Freunde vergißt, die auf unserer Seite stehen.«
    »Wer ist es.«
    »Chandler, Professor Chandler!«
    »O nein!« stöhnte ich, starrte Suko an, schlug gegen meine Stirn und schüttelte den Kopf. »Klar, Chandler – mein Gott, wie lange ist das her! Jahre bestimmt.«
    Suko hob nur die Schultern, dann meinte er: »Man wird dir die ungewöhnliche Blume nicht umsonst geschickt haben, John, davon kannst du ausgehen. Es muß einfach mehr dahinterstecken.«
    »Ja, natürlich. In der Wachau.«
    »Wie bitte?«
    »Der Professor wohnt in Österreich, in der Wachau, nahe der Stadt Melk mit ihrem berühmten Kloster.«
    »Genau.«
    »Und was ist Chandler?« fragte ich.
    Suko lächelte. »Ein Mathematiker, ein Genie, ein Rechenkünstler. Ein Mensch, der Dinge begreift, die wir nie fassen könnten. Der es geschafft hat, eine Verbindung zwischen der Mathematik und der Magie zu schaffen. Ein Genie.«
    »Wunderbar formuliert«, lobte ich Suko. »Nur frage ich mich, was die Blume mit Mathematik zu tun hat?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich auch nicht.«
    »Aber wie ich dich kenne, willst du es herausfinden.«
    »Das sowieso.«
    Suko bückte sich und begann mit einer Untersuchung des Gesichts. Er ging
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